Michael Oswald

 

 

 

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Leben in den Zeiten von Corona 15

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Samstag, 1. 5. 2021


Der Mai ist gekommen, gestern hatte ich einen Plan gemacht, wollte putzen und Wäsche waschen und kopieren gehen für die Amtspost, Kleinigkeiten einkaufen. Also geplant wie ein Analphabet, ich hatte den Feiertag nicht im Kopf. Auch vormittags war ich voller Elan, zuerst sollte sich Sport am Tower mit dem Lauffreund ereignen. Trotz trübem Wetter mit wenigen Regentropfen war das in dieser Gesellschaft angenehm nach den vielen Solorunden. Wir haben natürlich auch geschwätzt, aber auch vorgeführt, was noch geht, nachdem wir beide nicht mehr so viel Zeit setzen können. Noch auf dem Heimweg war ich in der Planung, wo gehe ich zuerst hin, da stelle ich fest, alles zu. Schon deppert. Zu Hause hab ich meinen Zettel genommen und weggelegt, und sofort angefangen, den Feiertag zu genießen. Mittag gab es aus meinem Vorrat, Lesezeit reichlich, bisschen telefonieren, ansonsten frei, Kaffee trinken und lesen, weiterlesen und am Rechner was. Dazu läuft jetzt schon das Abendkonzert auf SWR2, heute die Russen, Rachmaninow und Tschaikowski, alles sehr hörenswert.
Vom Berliner Freund kamen Maiengrüße, ich hab gedacht, was für eine schöne Geste. Ich soll den Mai genießen, werde das tun, und dabei auch an ihn denken.

Sonntag, 2. 5. 2021

Morgens wie ein richtiger Sonntag, ausgiebig frühstücken und lesen, die pure Unterhaltung, gute Unterhaltung, in der manch Wissenswertes aus der Zeit um 1780 zum Vorschein kommt, auch für Erkenntnis sorgt. Von Wolfram Fleischhauer, "Das Buch in dem die Welt verschwand". Diesem Titel hätte ich ein Komma verordnet, aber vielleicht gibt es seit der Rechtschreibreform auch eine Vorschrift für Titel, die ich nicht kenne, ist ja auch egal. Nachdem ich mich trennen konnte, habe ich meinen Haushalt geordnet, meine Sachen gepackt und bin nach Bayern gefahren. Die Coronaregeln geben es her, ich darf. Die Autobahn war wieder herrlich leer, gar kein Stau weit und breit, es ging schnell rum und als ich da war, wurde ich freundlich von meinen kleinen Enkeln begrüßt. Diesmal ging es ganz einfach, kein Fremdeln, nicht mal eine kleine Zurückhaltung, fast könnte ich meinen, sie kennen mich jetzt. Können sie mich schon kennen? Ich weiß nicht, jedenfalls spielten wir sofort los.
Abends im Hotel wieder kein Netz auf meinem Rechner, ich ignoriere das und schreib mal was zusammen, zu Hause kann ich dann laden.

Montag, 3. 5. 2021

Schöner Tag mit der Familie, ausgiebiger Spazierweg mit Sichtung der Wasseramsel, des Zweiblattes, der Einbeere, des Zaunkönigs und der Mönchsgrasmücke, gleich  drei Pärchen. Zeitweise ritt Johannes auf meinen Schultern, herrlich seine Freude dabei. Leider abends schwieriges Einschlafen, dadurch gewisse innere Mattigkeit. Morgen auf ein Neues.

Dienstag, 4. 5. 2021

Wundervolles Frühstück in meinem Hotel, die Monteure und Dienstreisende sind schon durch, wenn ich um sieben erscheine, dadurch hab ich alle Zeit, lesend zu frühstücken. Mit der Mutter ging es auf Stadtgang durch mehrere Parkanlagen, die Kinder haben gut geschlafen, wir konnten in Ruhe die schönen Bepflanzungen anschauen. Im arabisch türkischen ObstundGemüseladen gab es Mispeln, köstlich, und frische Datteln, und Cherimoya, mir völlig unbekannt. Bin gespannt. Mittags- und Spielrunde zu Hause, dann wieder raus, die große Runde an der Saalach. Im Wald schlafende Kinder, dafür rappelnde Schlangen und Mäuse, das Zweiblatt mit Blütenstand, das Knotenbeinwell und den Anfang vom gelben Eisenhut, auch Leberblümchen und Lungenkraut. Heimzu aufachende Kinder, die fröhlich in die Welt krakeelen. Das Abendprogramm war ganz ohne Stress, am Ende schliefen die beiden Kleinen und wir konnten in aller Ruhe essen und bissle reden. Es entstehen all die Tage Fotos und Videos mit den Kindern, jetzt bin ich da mit drauf, das ist ungewohnt. Bisher war mir ganz klar, die Kinder werden gefilmt, junge Menschen filmen sich selbst und ihresgleichen, dass ich vorkomme, ist mir noch ungewohnt. Da schaue ich mir staunend zu, wie so ein Opa aussieht.
In den Nachrichten, die Zahlen gehen endlich mal spürbar runter, die Impferei läuft endlich gut, d. h. zahlreich, das sind mir gute Aussichten. Die Politik denkt über Lockerungen nach, ehe die Gerichte das beurteilen müssen, find ich auch richtig. Nur dass der König Söder wiedermal am lautesten quakt, nachdem er vor zwei Wochen in die andere Richtung wollte, kommt mir vor, als ob er uns alle für plemplem hält. Was für ein unsymphatischer Wicht.

Mittwoch, 5. 5. 2021

Unter grauem Himmel sehen blaue Vergissmeinnicht mit weißen Tulpen in beetgroßer, nein, fußballfeldgroßer Anordnung, betörend schön wie ein abstraktes gelungenes Bild aus. Ich habe den Obergärtner vom Staatsbad Reichenhall im Verdacht, nebenher ein verspielter Künstler zu sein. Geld spielt keine Rolle, die Lust auf Ausprobieren bringt schöne Ergebnisse. Beim Nachdenken darüber kam der Regen, wir schoben die schlafenden Kinder noch rundenweise im Gradierwerk, da ist ein Dach über den Wandelgängen und von zehnmeterhohen Rieselwänden tropft Salzwasser und macht die Kurluft. Ob das den Coronaviren zu salzhaltig ist. Der Kurbetrieb ruht jedenfalls.
Zu Hause Kinder füttern, bespielen, miteinander lustig sein, mit Holzklötzern spielen, im Laufschiebwagen das Laufen ausprobieren, da fehlt nicht mehr viel. Die Lautsprache, mit der wir quackeln, wird umfangreicher nicht nur im Duktus, auch in der Modulation, da lernen wir Großen allerhand dazu, die Kleinen kommen irgendwann sowieso ins Sprechen. Herrlich auch, wenn sie unter einem Stuhl durchkrabbeln, die Querstreben sehen und jeweils den Kopf einziehen. Nur das Einschlafritual ist anstrengend und zeitaufwändig, da wünsch ich mir manchmal einen Zauberstab.

Donnerstag, 6. 5. 2021

Im Hotel noch mal frühstücken und sich um nix kümmern müssen. Nur rantreten, natürlich mit Maske und Handschuhen an desinfizierten Händen, sich auftun von vielen Käsesorten und geschnipfeltem Gemüse und Süßspeise und Obstsalat, alles aufessen, der Kaffee kam an den Tisch, satt aufstehen und gehen. Nicht, dass ich es immer so haben wöllte, aber ab und zu ist es sehr angenehm.
Ein Spaziergang mit den Kindern, raus zum Stadtrand, dabei Häusr anschauen, von denen manches zum Verkauf steht, alte, große, schöne Häuser. Ein Forsthaus von ca 1750 am Waldrand gefiel mir am besten, ein riesiger Garten mit alten Bäumen, man kann ja Träume haben. Mittags ins Auto, die Rückfahrt ging gut, kein Stau, immer mehr Regen. Man sieht nicht gut, wenn das Wasser so aufwirbelt durch das schnelle Fahren. Als ich gut daheim ankam, hatte ich schon einen Kuchen dabei, Belohnung für gut fahren. Eigentlich wollte ich mit dem Sport starten, aber da war soviel Regen, hab ich es gelassen und mir Lesezeit und Planung für morgen gegönnt.
Im Auto hab ich dauernd Nachrichten gehört, dabei wird mir deutlich klar, ich bin erschöpft und dünnhäutig von dem Coronamist. Das Impfen geht gut voran, die Zahlen bessern sich, trotzdem dauert es noch mindestens zwei Monate, bis halbwegs normales Leben zurückkehrt. Manchmal, wenn ich von Indien höre oder von anderen Ländern, wo die Mittel zur Impfung nicht einfach bereitgestellt werden können, denke ich, wie gut uns das hier geht. Es läuft einfach, wir haben trotzdem viel zu meckern. Also, jetzt noch in guter Haltung und ohne vorzudrängeln das letzte Stück von diesem seltsamen Weg.

Freitag, 7. 5. 2021

Bestimmt mache ich was falsch. Eigentlich habe ich diese Woche Urlaub, ok, die ersten Tage war ich verreist. Dadurch war allerhand liegengeblieben. Ich hatte gestern alles aufgeschrieben und da schon gesehen, es ist aussichtslos. Aber der Anfang ist gemacht. Das Bett lockt mit neuer Bettwäsche, die Bude ist geputzt und geblinkert, der Einkauf ist im Kühlschrank, zumindest teilweise, das Klopapier lagert zugriffsbereit im richtigen Örtchen, eine Standardrunde ist gelaufen, danach gab´s die Dusche, allerhand Kopien sind vorbereitend für die Post, die kommt morgen dran, gemacht, steht schon auf dem Zettel. Kurz an den Urlaub denken, Kaffee trinken, eine neue Kuchensorte war überraschend gut, beim Lesen umsteigen. Morgens hatte ich den Fleischhauer ausgelesen, war ganz unterhaltsam, allerdings wurden die Weltentwürfe, um die gerungen wurde und um die sich die Geschichte rankte, nicht plausibel vorgestellt, es blieb alles arg im Ungefähren. Viele Begriffe, die Rosenkreuzer, Lichtbringer, Illuminaten, Freimaurer waren einfach vorhanden, als ob ich sie alle kennen müsste. Tu ich nicht, sollte ich? Die Handlung läuft halbwegs durch trotz mancher Ungereimtheiten, wenn man sich unterhalten lassen will ohne hinterher schlauer sein zu wollen, tut es halbwegs, auch dank eines kleinen zierlichen Rahmens.
Zum Nachmittag fing es mit Franz Hohler an, Erzählungen zusammengefasst unter dem Titel "Die blaue Amsel". Da hab ich die ersten gelesen und war sehr angetan. Kleine unaufgeregte, sehr genaue und manchmal überraschende Beobachtungen, auch Gedankenwege. Sehr kurze Stücke, manche nicht mal eine ganze Seite, kein Wort zuviel, meisterhaft. Da freu ich mich auf mehr. Er hat noch einen anderen Titel, der da lautet "52 Wanderungen", das war wie eine Anregung, dies Amselbuch zu lesen, und zu jedem der 40 Stücke eine parallele Geschichte zu erzählen und was über das Erzählen zu lernen. Ich glaube, da entsteht gerade das Projekt nach diesem Coronatext.
Eine Runde am Tower hab ich geschafft, ist mir wichtig, da die Tage vorher ohne Sport waren, in der Abendsonne war es vergnüglich. Zumal nebenan die Volleyballer trainierten, die Drittligaherren. Da konnte ich in meinen Pausen manch schönen Ballwechsel bewundern. Ab acht wurde es kalt, ich hab noch ein wenig das Jonglieren versucht, fehlt auch die Routine, außerdem wurden die Hände schnell kalt.
Den Sonnenuntergang fand ich dermaßen schön, da hab ich eine Spazierrunde angehängt, bin in die Höhen von Rottenburg marschiert. Ab und an hörte ich in der Ferne, ja, was? Sprechgesang, oder Fußballanfeuerung, oder Demoparolen, es wurde nicht klar. Ich wunderte mich, weil so was lange nicht zu hören war. Am Ende führte mich mein Rundweg zur Lösung. Versteckt in verlassenem Gelände war es eine Gruppe von Halbwüchsigen, geschätzt 15 Jungs, die Musik hörten und eine lustige Geselligkeit am Laufen hatten, sie hatten wohl Gehörtes mitgesungen. Als ich mitten durch die Gruppe laufen musste, wurde ich freundlich gegrüßt, wohlerzogene Buben versuchten ihr soziales Leben aufrechtzuerhalten. Viele Möglichkeiten sind ihnen nicht geblieben.

Samstag, 8. 5. 2021

Könnte anfangen wie gestern, mit einem kleinen Unterschied, ich konnte mir dabei zuschauen, wie mir die Zeit vergeht, mein Eindruck ist, ich bin kein guter Planer. Der Zettel war voller Vorhaben, der Tag hat deswegen nicht eine Minute mehr. So reichte es wieder nicht. Ok, das  ist ja nix Neues, es scheint aber eine notorische Selbsthinterslichtführung stattzufinden. Ich glaube immer auf´s Neue daran, wenn es auf dem Zettel steht, muss es auch klappen.
Nach einem gemütlichen Morgen mit Franz Hohler, dessen Erzählungen fast alle in mir drinnen ankamen, war ich mit dem Läuferfreund am Tower verabredet. Richtig Sonne, wir haben die T-Shirts beiseitegelegt und Michi hat seinen schönsten Handstand vorgeführt. Mit wackeln und weiterlaufen und neu austarieren, so blieb er lange oben, ich hatte zu Staunen. Er hat noch mehr in der Entwicklung, sein L-Sit ist schon ein V-Sit, wird demnächst diese unglaubliche Mannafigur, nehm ich mal an. Derweil übe ich brav meine Routinen, das ist nicht schlecht und auch nicht schlimm, aber dieses Entwicklungspotential hab ich nicht mehr. Nach zwei Stunden, sogar ein bisschen jonglieren passte rein, war es genug, zu Hause bestätigte sich das, es gab den Anfang einer Sonnenbrandrötung. Mittag aus dem Frost, eine vielfältige Gemüsereispfanne mit lauter leckeren Einzelheiten. Die Post hab ich fertiggemacht und liegengebliebene Überweisungen getätigt, so dass keine Katastrophen passieren sollten. Post wegbringen ließ sich verbinden mit Stadtgang, da gab es Kaffee und ein süßes Teil, und dem Gang zum Bücherschrank. Fünf Bücher hin, drei wieder mit, so hält mein Stapel, nein anders, so halten meine Stapel mindestens hundert Jahre. In aller Eile die Birne kahl rasiert, beim Friseur brauch ich Anmeldung und Test, ich hab nun ein Ergebnis ohne Raffinesse, das aber nichts gekostet hat. Der Lauf stand an und war mühsam, von gestern kam ein Muskelkater, die ewige Zerung meldete sich, ich hatte ein paar Gehpausen, bin aber durchgekommen. Unterwegs die blühenden Apfelbäume, die duftigen Wiesen, viele Insekten, bin richtig in Schwärme reingelaufen, das viele frische Grün beruhigt, beglückt mich völlig. Noch ungeduscht telefonieren, der Freund in Berlin, wir hatten den Abend verabredet. Da wir länger nicht geschwätzt haben, vergingen uns höchst vergnüglich beim Hinundhererzählen anderthalb Stunden. So kann´s gehen. Duschen, Essen Texten, Mails anfangen zu lesen, hatte paar Tage keine Lust, dafür warten jetzt über hundert. Und schon schlägt es zwölf.

Sonntag, 9. 5. 2021

Ein fauler Tag, ich litt an Lesesucht und derbem Muskelkater, so ließ ich den Sonntagslauf weg und las, gestern hatte ich eine Michelangelo-Biographie angefangen, die von Irving Stone. Schon auf den ersten Seiten sind im Duktus von "So war es" Handlung und wörtliche Rede wiedergegeben aus dem 15. Jahrhundert. Bei jedem Satz stand mir die Frage, wieso hat er nicht relativierende Abstandhalter eingebaut, die sagen "So könnte es gewesen sein", das erschwert mir das Lesen. Nun ist das Buch von 1973, ich denke, andere haben das zu der Zeit besser gehändelt. Mal sehen, wie weit ich komme, der Inhalt interessiert mich doch. Den Kaffee bekam ich in guter Gesellschaft kredenzt, dazu gab es Kunst zu schauen und Gespräch darüber und über den neuerlichen Grobsatz des Herrn Palmer. Über Cancel Culture und meine Erfahrungen damit. Ein gutes Gespräch. Und schon wurde es wieder knapp mit der Zeit, heimgehen, den Test machen, da die erste Nachtschicht ansteht, nebenher schnell den Text raushauen, vorbereiten der Futteralien und Klamotten für nachts, 20:30 Uhr ist Abfahrt. Test negativ.

Montag, 10. 5. 2021

Schlafen am Vormittag, der Wecker kingelt um eins, Alltagsbewältigung, also nachmittags frühstücken, den ganzen Kram richten, so schnell es geht, damit Zeit zum Laufen ist und für den Text. Laufen in den Frühlingswald, am blauroten Steinsamen vorbei und am Knotenbeinwell, das gibt es hier auch, 11 km in gerade noch akzeptablen Schnitt. Die Höhenmeter zählen mit. Beim Padeffkebäcker die Angebote probieren, gutes Brot und schöne Weckle und Kuchen für den kleinen Preis, man kann mich so locken. Zabra kadabra macht der Tag und ist schon rum, d. h., jetzt schnell für die Nachtschicht vorbereiten und dann zum Bus. Für die Bilder ist wieder keine Zeit, morgen?

Mittwoch, 12. 5. 2021

Unvollständig, werdet ihr denken, der Dienstag fehlt. Ich habe ihn der Erholung gewidmet, dem Müßiggang, und es hat mir gut getan. Da es regnete, fand kein Sport statt, ich habe auch gar nichts Nützliches vollbracht, saß trotzdem zufrieden hier und las und war ein wenig am Rechner belustigt. Dafür heut. Trüb und trocken am Nachmittag, Laufwetter, ich bin raus und hab so meine Freude gehabt am kriechenden Günsel, der ganz aufrecht steht, ich glaub, er vermehrt sich durch kriechende Sprossen, und am Grün des frisch austreibenden Buchenlaubes, das macht die Luft so mild und das Licht ganz weich. Da kann ich durchlaufen und denk, besser geht es nicht. Einen Handwerkertermin hab ich geschafft, ein Angebot bekommen, das bedenkenswert ist, einkaufen war ich, hatte kein Obst mehr, jetzt gibt es Heidelbeeren und Äpfel zum Naschen. Kaffee und ein süßes Stückle, als Belohnung nach dem Lauf, sogar noch Zeit für dies hier, bevor es zum Schichtbus geht.
In den Medien wird gerade die Inflation am Horizont gesichtet, sicher wird sie in den nächsten Wochen gänzlich herbei geschrieben. Als Folge der Staatsverschuldung durch Corona dürfen alle sich wichtig nehmenden Wirtschaftsprofessoren erläutern, es geht gar nicht anders außer durch Infation, Währungsreform, andere Formen der Enteignung, also Steuererhöhungen, den Staat wieder in Form zu bringen. Als ob uns die vorhandenen Ängste nicht reichen würden, als ob Staatsverschuldung eine neue Katastrophe wäre. Ist der Blick auf eine Kategorie so, das er die anderen Sachlichkeiten beendet? Wissenschaftler sollten das mitbedenken können. Und Medien sollten nachdenken über die Folgen solcher großgeschriebener Propheterie.

Donnerstag, 13. 5. 2021

Bin am Umsteigen aus dem Nachtbetrieb ins Normale. Früh ins Bett, nach der Schicht, vor lauter Freude, dass es die letzte war, nicht schlafen können, immer weiter gelesen, das Buch, obwohl es tut, als wäre es von einem Augenzeugen erzählt, entwickelt einen Sog. Oder mach ich das dazu, das Leben des Michelangelo interessiert mich brennend, eigentlich suche ich nach der Erklärung für diese solitäre Begabung, die Familie ist es nicht und nicht das Umfeld, es scheint alles in diesem Bürschchen zu stecken, der Antrieb, es in Marmor zu hauen, gleíchzeitig die Erkenntnis, dabei thematisch gründlich vorzugehen, er will keine Dekoration herstellen. Mit 15 schon kann er besser zeichnen, als alle in seiner Umgebung, mit 18 liefert er die ersten Reliefarbeiten und die erste freistehende Skulptur. Nicht irgendwelche Versuche, sondern heute noch in der Kunstgeschichte vorkommende Ereignisse. Da ist der David noch in weiter Ferne.
Eigentlich wollte ich nur einen Kurzschlaf  einschieben, dann ging es länger, hab nichts verpasst, sondern war am frühen Abend, als es endlich nicht mehr regnete, raus zum Tower. Nebenan wieder Volleyballtraining, U18-Jungs, also wunderschöne Ballwechsel, diesmal vom Trainer besprochen, dadurch erschloss sich mir, der ich nicht spielen kann, manche Finesse. Mein Programm hab ich durchgebracht, mich wieder geärgert, dass die Form, wenn ich nicht dranbleiben kann, so schnell schlechter wird. Was soll´s, Leben ist grad so.
Die Nachrichten sind voller Mitteilungen über Lockerungen, die aber an Inzidenzzahlen gebunden sind. Es soll dies und jenes aufmachen, aber eben nicht hier und nicht jetzt. Die Politik, die das beschließt, ist wohl auf der Flucht vor dem Wähler und will ihn besänftigen mit schönen Aussichten, ich finde das misslungen, bin eher verärgert, weil ich eh im Kopf hatte, bis wann sich noch nichts zum Guten regen kann. Andererseits tun mir die Verantwortlichen auch leid, sie sind Getriebene und Reagierende, gehetzt von immer neuen Verläufen, Erkenntnissen und Anforderungen. Ich wöllte nicht tauschen.

Freitag, 14. 5. 2021

Ein freier Freitag, wie ich ihn genossen hab. Morgens langsam in Gang kommen, kauend über Michelangelo lesen, dann kam eine Nachricht rein, wir machen was am Tower. Hab also den Haushalt geruckelt, und wir trafen uns um elf, die Sonne schien uns freundlich an. Michi´s Handstände und die Anfänge der Human Flag, alles immer noch weiter und schöner als je zuvor. Ich mit meinem Rumpelprogramm daneben, nun ja, was soll man sagen, ich bin ein Spätlernender. Später kam noch die junge Frau dazu, die ich schon kenne, die auch so schöne Sachen kann. Dann noch zwei Jungs, die noch nicht allzu weit vom Anfang weg waren, da kam ich mir wieder besser vor. Eigentlich Wurscht. Nach zwei Stunden und aller Ausführlichkeit ging ich zufrieden heim, duschen, essen, aufräumen, bzw. wenigstens den Platz zum Sitzen frei räumen, es war Besuch angekündigt. Bücher, angefangene Briefpost, jede Menge kleine Aufgabenstapel, jeweils Plan und Prospekte oder ausgeschnittene Artikel usw vom Tisch räumen, an dem wir sitzen können, ich hab gedacht, was ist nur aus mir geworden, das normale Sozial- und Wohnalphabet ist irgendwie von mir gegangen, und wenn mal jemand hierher kommen will, muss ich die Reste in mir zusammensuchen, um einigermaßen benutzertauglich auftreten zu können. Meine Kirchheimer Kunstfreundin war da, als erstes sind wir eine schöne Runde gelaufen, zur Altstadtkapelle hoch, durch den Frühling, mit wundervoll klarer Sicht auf Rottenburg im Tale. Kaffee gab es zu Hause, man darf ja immer noch nicht im Bäcker sitzen, dann haben wir uns gegenseitig von unseren Enkeln berichtet, über Kunst geredet und deren Wirksamkeit unter Coronabedingungen, über das Lesen und die Texte. Ein Höhepunkt meines etwas vermickerten sozialen Lebens.
Von immer mehr Menschen aus meiner Umgebung höre ich vom Geimpftsein, es geht vorwärts. Das sind nicht mehr abstrakte Zahlen aus den Nachrichten, sondern man kann immer öfter sprechen, diese oder jener ist erst-, auch zweitgeimpft. Es beruhigt mich kolossal, ich habe gar nicht das Gefühl von NochNichtDranGekommenSein, sondern eher den Eindruck von Wir schaffen das. Früher bei der Pest musste jeweils gewartet werden, bis es aufhörte, da sind wir besser dran, auch wenn es nicht ohne Opfer ging.

Sonntag, 16. 5. 2021

Was war los, gestern, es gab nur Lücke. Ich war laufen, bin richtig in platschenden Regen geraten, hat Spaß gemacht. Und dann hab ich solange gelesen, am Bildschirm, lauter schlaue Inhalte aus der NZZ, bis der Kopf voll war, die Zeit war um, so kann´s kommen. Dafür heute, ihr werdet sehen, ich will übertreiben. Es geht ganz normal und gemächlich los, Frühstück, lesen, soll man es hinschreiben, wieder Lesezeit, ich bin noch lang nicht durch und jeden Tag kommen neue interessante Artikel rein, bis mir der Hintern das lange Sitzen reklamierte. Mittags bin ich auf die Strecke, den Neckar aufwärts bis Niedernau, den Berg hoch bis Weiler und wieder zurück. Unterwegs alleweil anhalten und schnell ein Foto machen, schier durchdrehen vor mannigfaltigen Entdeckungen. Das ist das unglaublich Schöne am Frühling, alle Jahre wieder überwältigt mich das. Jetzt müsst ihr mit durch ein paar Bilder, ich kann das nicht alles für mich behalten.


Wie der Schachtelhalm sich so durchwühlt.

Soll ich da einfach dran vorbeilaufen? Das gibt im Herbst die Moschtäpfel.

Steht im Vorgarten, tränendes Herz ist der Name, gibts häufiger in rot mit weißer Träne.

Hahnenfuß über alles, ein Paradies für die Bienen.

Am Waldrand treibt das weiße Waldvögelchen aus, eine gar nicht so seltene heimische Orchidee, die einen Zyklus von sieben Jahren von der Aussaat zur Blüte braucht, dann blüht sie alle Jahre.

Der Wiesensalbei kommt in Gang.

Detail der Kastanienblüte, auch in rot überzeugend.

Erdrauch, ein schöner Name für ein giftiges Kräutlein, wurde als Heilpflanze genutzt gegen Verdauungsmalheur und gegen Schuppenflechte.

Da wächst unser Brot heran.

Das ist der Austrieb der Bocksriemenzunge, eine aus dem Mittelmeerraum zugewanderte Orchidee, die sich immer häufiger hier sehen lässt. Hat das mit dem Klimawandel zu tun?

Beinwell, da hört man schon die Heilpflanze durchklingen, es gibt davon auch wieder mehrere Sorten, kleiner und gelb blühend wäre das Knotenbeinwell, findet man auch hier in der Gegend.
Jetzt musstet ihr ein bisschen scrollen, viele machen das nicht gern, ihr werdet es mir verzeihen, hoffe ich. Sonst kam noch die Population der Feuerwanzen auf meinem Hof vor, die kommen bei der Sonne raus. Und sie kümmern sich nicht um Corona, jedenfalls habe ich keine mit Maske gesehen. Beim Stadtgang am frühen Abend, ich war erfolgreich am Bücherschrank, als ob ich es bestellt hätte, fand ich einen Franz Hohler, da hatte ich die blaue Amsel mit Genuss gelesen, und einen historischen Roman über die Medici in Florenz, das passt zum Michelangelo, den ich grad in Arbeit habe. Der hat 700 Seiten in einer sehr kleinen Schrift, die Hälfte hab ich. Es wird gut beschrieben, wieso Michelangelo zu seinen unerhört neuen Auffassungen von Zeichnung und Skulptur kam, ich lese grad von der Begegnung mit da Vinci und der Vorbereitung auf den David.
Rückzu am Schlachthof wieder die Mahnwache gegen das Tierverwenden. Ich finde das Anliegen gut, würde mich auch dazu stellen, wäre ich schon ein Veganer. So benutze ich noch tierische Produkte, Eier und Käse, auch da stimmen die Haltungsbedingungen gar nicht. Aber diese Kurve krieg ich noch nicht, da ich wirklich ein Fan der vielen Sorten Käse bin und mir die Alternativen nicht so recht schmecken. Ich wiege da meinen Verzicht noch sehr schwer.

Montag, 17. 5. 2021

Da Gleitzeitstunden nicht aufgebaut werden dürfen, gab es einen freien Tag. Ich wehre mich gar nicht dagegen, da mir sofort einfällt, was mit der Zeit anzufangen ist. Üblicher Start, Lesezeit am Rechner, dem unaufhörlichen Fluss neuer Artikel der NZZ hinterhereilen, vielleicht muss ich dieses Abo wieder kündigen, weil sich meine Tageszeit nicht entsprechend dem Lesestoff vermehrt. In der Wetter-App geschaut nach regenfreier Zeit und losgehoppelt. 13 km, 260 Höhenmeter, akzeptabler Schnitt von 5:29 min/km und der Frühling.

 

Schon auf dem ersten Kilometer dieses schöne Ereignis, der Inkarnat-Klee. Sein Rot im Grün ist so prunkvoll, ich musste ungefähr 30 Bilder machen, am Ende sind die alle recht ähnlich, d. h. schön, da eins raussuchen ist eine schwere Aufgabe.

Weiter gings durch dieses Tal, da werd ich an der Seele gesund.

Am Wegrand, mitten im Wald, dies Erblühen der Berg-Flockenblume.

Paar Meter weiter ebensolches beim Maiglöckchen, das schafft es alle Jahre wieder in den Mai, eine Woche hin oder her. Woher weiß es?

Auf dem Heimweg der erste Wiesen-Bocksbart, da waren noch mehr, die aber in dem Löwenzahn- und Hahnenfußgelb gar nicht auffallen. Vielleicht denkt ihr jetzt, hoppla, wird das hier zum Bilderbuch, keine Angst, das war der Frühlingsanfall, der läuft wieder aus.
Mittag vom Chinesen, beim Bäcker war ich auch gleich, mit Gutschein, ergibt ein Kuchenpaket, ich habe es in Arbeit. Am Abend war wieder eine Regenlücke angezeigt, ich bin raus zum Tower, war die erste halbe Stunde in Gesellschaft, es gab einen gepflegten Plausch nebenher. Auch ein bisschen Regen, nur kurz, so dass alles nass blieb, also noch und nochmal. Da gibt es noch zwei Bilder, es geht nicht anders.

Ich glaube, auf dem zweiten Bild ist eine Anmutung, eine Ahnung vom zweiten Regenbogen zu sehen, immer wenn ich das Handy bereit hatte, war er am Verschwinden. Ihr könnt mit gutem Willen eine kleine Farbigkeit links vom ersten annehmen, dazu will ich bemerken, die Farbigkeit ist spiegelverkehrt zum ersten, habt ihr das gewusst? Ich hab meine Freude dran, wenn es mal vorkommt. Trotz der vielen Tütelei mit dem Handy hab ich mein Programm geschafft, ab halb neun wurde es kälter, da bin ich wieder in meine warme Stube.

Übrigens, heut ist der Internationale Tag gegen Homophobie, dass so was noch nötig ist. Auf Wikipedia gibt es einen Eintrag, da erschließen sich die Gründe für diesen Tag ganz schnell.

Dienstag, 18. 5. 2021

Ein Arbeitstag, vormittags Regen, also kein Sport draußen, Laufen auch nicht, weil die Lust fehlte, dafür hab ich Bürokram gemacht. Und einen Test vor der Arbeit, dann gabs Mittag, und schon gings zum Bus. Auf Arbeit war es sehr entspannt, alles lief gut. Höhepunkt war damit die Kantine, da hat es geschmeckt, es gab einen oberleckeren Nachtisch, irgendein Weißschäumchen mit Mangomus obendrauf. So als Etappenziel teilt das die Arbeitszeit in davor und danach.

Mittwoch, 19. 5. 2021

Es ging los mit dem Blick auf den Neckar, die Schwäne sind mit ihrem Nachwuchs unterwegs. Acht sehr kleine, niedliche graue Junge, die können vom ersten Tag an schwimmen. Machen ein anrührend zartes Gepiepse, wie eine nicht abreisende akkustische Nabelschnur zu den Großen.
Auch wieder keine Zeit für den Sport, um den Leib hab ich mich schon gekümmert. Ich hatte einen Fußpflegetermin vereinbart, bin hin auf verhornten Sohlen mit manch wehleidiger Stelle, zurück im Schwebegang, nichts tat weh, drückte, es war der pure Genuss zu gehen. Auf Arbeit wieder recht gediegen, wir sind gut besetzt und hatten Glück mit dem Ablauf, alles was kam, kam schön nacheinander. Ich hab angefragt bei meinem Vorgesetzten, ob die Firma an der Corona-Impfung dran ist, die Auskunft war ernüchternd. Die Corona-Kommission hat beschlossen, dass in der Firma dazu nichts passiert. Man hätte den Beschluss wenigstens bekanntgeben können, eine Begründung würde mich auch noch interessieren. So bekamen wir einen neuen Satz zum Testen und müssen uns selbst kümmern, also demnächst die überlasteten Hausärzte mit plagen.

Donnerstag, 20. 5. 2021

Der Vormittag war gesetzt für den Lohnsteuerausgleich vom letzten Jahr, wahrlich, es gibt schönere Aufgaben. Immerhin war ich gut vorbereitet, hatte fast alle Papiere bereit und wusste, wo die fehlenden zu finden sind. Da es nicht mehr reichte für einen Lauf, hab ich im Haushalt gekramert und war tanken, alles nichts, was man erzählen müsste, aber die Zeit verging schnell bis zur Abfahrt vom Schichtbus. Die Arbeit war ok. Auf dem Heimweg, beim Lesen fand ich in der NZZ die Nachricht vom 100. Geburtstag von Wolfgang Borchert. "Draußen vor der Tür", als Hörspiel und Theaterstück eine wichtige Station in der Auseinandersetzung mit dem gerade vergangenem dritten Reich. Er kam krank und geschwächt aus Krieg und verschiedenen Gefängnissen, hatte nur wenig Zeit, aufzuschreiben, was zu dieser Zeit sich kaum jemand traute, starb 1947, einen Tag vor der Uraufführung seines wichtigsten Stückes. Ich habe ihn lesend kennengelernt, 1978 als Lehrling, er kam mir grad recht in die Zeit der Musterung für die Wehrpflicht in der NVA. Ich hab den normalen Dienst verweigert, wollte mangels Alternativen zu den Spatensoldaten und sollte mit 26, zum spätmöglichsten Zeitpunkt einrücken. Das hat der bewilligte Ausreiseantrag verhütet.
Ich weiß noch, wie mich seine Erzählungen und Gedicht ganz tief drinnen erwischt haben, ich fand es so richtig, dass ich allen erzählen wollte davon, kaum jemand hat sich interessiert dafür. Dabei finde ich heute noch beeindruckend, wie klar seine Sprache war. Auf Wikipedia gibt es einen guten Eintrag zu ihm, da fand ich auch diese Zeilen von ihm:

„Wer schreibt für uns eine neue Harmonielehre? Wir brauchen keine wohltemperierten Klaviere mehr. Wir selbst sind zuviel Dissonanz. […] Wir brauchen keine Stilleben mehr. Unser Leben ist laut. Wir brauchen keine Dichter mit guter Grammatik. Zu guter Grammatik fehlt uns die Geduld. Wir brauchen die mit dem heißen heiser geschluchzten Gefühl. Die zu Baum Baum und zu Weib Weib sagen und ja sagen und nein sagen: laut und deutlich und dreifach und ohne Konjunktiv.“

Freitag, 21. 5. 2021

Vormittags ein bisschen Kommunikation mit der Welt, noch paar Zahlen für das Finanzamt nachreichen, zwischen Frühstück und sehr zeitigem Mittag passt nicht viel rein. Arbeit, nichts erwähnenswertes. Morgen wieder mehr.

Samstag, 22. 5. 2021

Das Schlafdefizit der letzten Woche hat seinen Tribut gefordert, dadurch ging der Tag bissl spät los. Ich hab gedacht, als ich halb elf zum Frühstück schritt, ist egal, ich hatte genug vor für den Tag, es verschob sich lediglich. Das Putzen war dran, ich fuhr mit meinem Staubsauger in alle Ecken, hatte das Bett bezogen, dabei mitten in den Raum geschoben und fand interessante Staubgebilde. Wenn man sie sachte anpustete, wirbelte nicht etwa alles auf, nein, gemächliche Würste rollerten, sich zusammenhakend behäbig in die nächste Ecke. Da beendeten sie ihr freiheitliches Dasein mit einem lapidaren Geräusch an der Stabsaugerbürste. Auch an den Stuhlbeinen fand Wachstum statt, ich hab alles erbarmungslos eingesaugt. Schwierig finde ich es mittlerweile, an und auf den immer weiter wachsenden Bücherstapeln und Notizzettelhäufungen Klarheit zu schaffen, jede waagerechte Fläche scheint während der letzten zwei Wochen jedes Stäubchen willkommen zu heißen. Ich habe den Eindruck, würde ich nur lang genug warten, könnte ich eine Art Filzlagen einsammeln. Zum Abschluss der Sanitärputz, nach zwei Stunden war alles so schön, dass ich mich auf´s Pinkeln freue und darauf, abends in mein Bett zu steigen. Ich hab dann nicht so getan, als bräuchte ich eine Pause, die hatte morgens schon stattgefunden, bin gleich zum Laufen raus. Wollte auf flacher Strecke über die Felder gehen und den Wind spüren. Bin am Neckar entlang, vorbei am Kiebinger Baggersee zum Hirschauer, da saßen schon die Nackerten auf der Wiese und sonnten sich, dann über Wurmlingen zurück, gab knapp 15 km. Der Schnitt von 5:19 min/km ist wohl im Moment das, was mir möglich ist. Zum einen plagt mich ein kleiner orthopädischer Schaden, zum andern kann ich durch die blöden Arbeitszeiten nicht genug Zeit setzen, um besser in Gang zu kommen. Zu Hause Duschen, was kochen, einen Stadtgang, die Sonne hat mich gleich wieder rausgelockt. Im Haus Bürgerwache ist der Biergarten wieder offen, und es war bis zum letzten Platz alles besetzt. In der Stadt hängen die Schilder von der Maskenpflicht vor der Fußgängerzone, und wurden so halb beachtet. Ich ging ohne, fand, es ist ein gutes Gefühl. Hatte einen Kaffee in der Hand, kam so am Bücherschrank an und fand vier Bücher, auf die ich neugierig bin. Da ich immer noch am Michelangelo lese, geht das Wachstum der Stapel ungebremst weiter. Ich tu mal so, als wäre ich unsterblich.

Sonntag, 23. 5. 2021

Der heilige Geist ist nicht über mich gekommen, vielleicht ist der Termin erst morgen. Oder er kommt nicht zu mir, sondern zu anderen. Soll er machen, wie er will. Mein Tag war gut. Vormittags am Tower mit dem Läuferfreund und seinem Bruder, man kann da wirklich sehen, was Sport aus einem machen kann. Neben uns tobte ein Kurs, vom Studio, im Freien, das Leben regt sich. Demnächst dürfen wir wieder in irgendwelchen Coronakonzepten miteinander schwitzen. Die Inzidenzzahlen, die genannt werden als Bedingung für normales Leben, sind sehr variabel, je nachdem, wer in welchem Zusammenhang die Welt erklärt. Im Moment fallen sie, das Impfen geht vorwärts, wahrscheinlich unterbieten wir bald alle Vorgaben, wenn nicht irgendeine blöde Mutation herumschwirrt.
Mittags die schnelle Pfanne zu Hause, und ab nach Kirchheim, meine Kunstfreundin in ihrem Atelier besuchen. Wir haben uns in der Stadt alle verfügbare Kunst angeschaut, sie wurde  draußen gezeigt und war etwas mager. Merkwürdige Stühle, die störend im Weg standen, man braucht ziemlich Selbstbewusstsein, sie zu benutzen. Eine rote Schüttfläche im Stadtpark, die selber Kunst ist und auch Träger anderer Künste des Rotschütters sein soll, so wurde mir erklärt. Und fensterformatgroße Bilderdrucke in den Fenstern des Kornhauses, das ist das Ausstellungshaus der Stadt. Die Drucke, herunterfotografiert von Ölmalerei nach Zeitungsbildern von Öffentlichkeiten, Demos oder belebten Plätzen, schrill und sehr pädagogisch beschriftet, bzw. dadurch ganz zerstört. Also haben wir den Bäcker aufgesucht und draußen sitzend eine kleine Sättigung erreicht.

Montag, 24. 5. 2021

Die Fahrttage sind  immer so halbe Tage, ich bewege mich zum anderen Ort, und schon ist schnürt der Rest zusammen auf Haushalt hier richten, ankommen und die Sitzhaltung rausschütteln. Ich bin wiedermal in Bad Reichenhall und habe ganz vorsichtig meine Enkelchen begrüßt, mir scheint, ein bisschen Vertrautheit ist noch da, das Fremdeln war schnell vorbei. Am Anfang musste schnell weggekuckt werden, dann war es noch das Verstecken hinter der Tür, aber schon mit neugierig rausschauen, ja, ab da durfte gespielt werden. Mit dem Füttern und Fläschle geben und wickeln war es sowieso schnell wie vor drei Wochen. Und doch gibt es schon wieder Veränderungen beim Spiel. Es wird kommunikativer, ein lustiges Hin-und-Her-Gebabbel, was hingeben und wiederholen, sich verstecken und wieder da sein. Herrlich, ich muss mitdenken, damit es interessant bleibt.
Auf der Herfahrt: Zuerst hab ich Coldplay gehört, die Anregung kam aus einem Artikel im Rolling Stone. Die ersten zwei Alben, ich war so 2002 drauf aufmerksam geworden, waren ungeheuer gut, danach sind sie fast am Ruhm gescheitert und musikalisch wurde es dünner. Beim Rauskramern der CDs schon fielen mir einzelne schöne Titel ein, das Hören war nach wirklich langer Zeit wieder genussvoll. Ich hatte lange Zeit keinen Bock nach dem Viva l Vida, das war mir zu mainstreamlastig, erkennbar auf Gefallen aus, und damit langweilig. So berichtete der Artikel auch. Nach den zwei Stunden war ich in Bayern und hörte auf Bayern 2 eine Sondersendung zum 80. Geburtstag von Bob Dylan. Schöne Texte, verschiedenartigste musikalische Auftritte vom Folk zum Rock und links und rechts davon. Die Reihe der Interpreten, die seine Titel nachsingen, ist unüberschaubar, sein Einfluss auf Generationen von Musikern wird wohl nie ganz erforscht werden können, so gewaltig ist er. Bei jedem Titel, der eingespielt wurde, fielen mir auf Anhieb siebzehn andere Musiker ein, die ihn auch gespielt haben, dazu noch jede Menge Varianten, wo mir die Namen der Nachahmer nicht einfielen. Die Fahrt war dadurch gar nicht so grauselig, eher war es schlimm, dass ich am Ziel aussteigen musste, nicht weiterhören konnte.

Dienstag, 25. 5. 2021

Der Wonnemonat ist kalt, es regnet viel. Es ging beschwerlich los, ein Arzttermin mit den Kindern, die sind nicht zufrieden, ningeln, weinen, eins kotzt, dann wieder. Ist das Autofahren ein Problem? Jedenfalls war die Mutter froh, als sie zu Hause war, ab da konnte ich helfen. es gab intensive Hutscher- und Spielrunden drinnen, vorsichtiges Anfüttern, ab nachmittags wurde es draußen schöner, wir konnten spazieren gehen. Die Kinder schliefen schnell ein, als hätten sie was nachzuholen. Wir konnten in Ruhe nach der Botanik schauen, es gab Langblättriges weißes Waldvögelchen, frisch erblüht, die Kuckuckslichtnelke, das Zweiblatt, die Akeleiblättrige Wiesenraute und den Vogelnestwurz. Außerdem war der Wald voller Knoblauchmief vom erblühten Bärlauch.
Lustig fand ich die Bastelei eines Papierfliegers, das hatte ich zuletzt mit meinen Kindern gemacht, beim Drübernachdenken, wie es denn ging, kamen die Anregungen mehr aus meinen Händen als aus dem Kopf. Der zweite Versuch hat geklappt, das Ding ist richtig geflogen, halt nicht lange, denn nach der Landung hat sich das eine Kind oder das andere draufgestürzt, das hielt er nur begrenzt durch.
Im Hotel bin ich dienstlich angemeldet, da brauch ich keinen Test vorweisen, wäre ich privat abgestiegen, müsste ich alle zwei Tage einen vorlegen. Den Unterschied verstehe ich nicht, wäre ich geschäftlich hier, hätte ich nach meiner bisherigen Erfahrung mit mehr Leuten zu tun. Nun ja, so richtig nachfragen tut bisher niemand, was ich hier mache, der Form nach halten alle alle Regeln ein.

Mittwoch, 26. 5. 2021

Dritter Tag in Bayern, Urlaub mit den Kleinen, keine Zeit für Nachrichten, dadurch auch Pause von Corona. Wäre das auch noch weg, würde ich abends wieder in das hiesige Sportstudio gehen, demnächst sollte das wieder möglich sein, mit Test und Anmeldung. So war vormittags Stadtgang und Einkaufen, mittags gab es zu Hause was, immer mal unterbrochen von den Kindern, die hatten schon bekommen und es juckt sie gar nicht, dass wir essen wollen. Sie kommen immer wieder an, wollen bespielt werden und die Aufsicht muss sowieso ständig klappen, wenn da zwei so kleine Geister die Welt ausprobieren. Lustig die Wutanfälle, wenn was nicht auf Anhieb klappt, wenn das Schieben an einem Hindernis endet, von Null auf Hundert, zum Glück kann man da immer was machen, dass es doch weitergeht, und dann ist die Wut wie weggeblasen. Bis die nächste Wand im Weg ist. Nachmittags einen schönen Gang an der Saalach, mit schlafenden Kindern, wir fanden die Bach-Bunge, eine Ehrenpreissorte, den Quendel-Ehrenpreis, das Spring-Schaumkraut und ein frühes Knabenkraut, blühend. Außerdem zwei junge Ringlnattern, die sich zum Sterben rollten, sie waren beide auf einem Radweg überfahren worden. Abends das schwierige Einschlafritual, junge Eltern brauchen gute Nerven.
Lesen: Den Michelangelo hattte ich vor der Reise fertig, spannend fand ich, dass man die beschriebenen Werke im Internet geschwind anschauen konnte. Dadurch war vieles, was der Schriftsteller aus dem erhaltenen Briefwechsel des M herauslesen konnte und das, was er sich aus der Kunstgeschichte zusammenreimte, gut, also, besser nachvollziehbar als zu der Zeit, in der das Buch erschien, nämlich 1974. Außerdem war das Buch voll mit Zeitgeschichte, Salvonarola kam vor und die vielen Päpste, immerhin ist M fast 90 geworden.
Jetziges Buch: "Das Wunschspiel" von Patrick Redmond, nach dem ersten Drittel würde ich es in die Unterhaltungsliteratur einsortieren, es erzählt ganz schlüssig und spannend eine eher unglaubliche Geschichte aus dem England von 1954, die Auseinandersetzung von Gut und Böse in einem Knabeninternat.

Donnerstag, 27. 5. 2021

Kindertag wie gestern, Spaziergänge mit schlafenden oder lustig in die Gegend schwätzenden Kindern, Einkaufen und Waldspaziergang am Bach-Nelkenwurzweg, der Buntspecht kam uns übern Weg geflattert. Er verbeugte sich bei der Landung am Stamm einer Baumhasel und fing an zu suchen. In der Mittagspause war ich nebenan beim Bäcker, Kuchen essend, Kaffee trinkend, lesend draußen sitzend. Wer hätte das gedacht, noch in diesem Leben. Wie in Vorcoronazeiten, fast, ich musste wieder aufschreiben, wer ich bin. Vom hiesigen Sportstudio kam auch Nachricht, es öffnet wieder, ich hab noch nicht gelesen, wie die Bedingungen sind. Bin neugierig, ob ich in Rottenburg wieder rein darf.
Das Spielen mit den Kindern, das Helfen beim Füttern oder Trösten, das Spazierengehen, das erscheint mir als sinngebend, wie eine Neufassung meiner Daseinsbegründung. Wo ich an anderen Stellen mittlerweile so meine Zweifel habe, z. B. meine Arbeit als fremdbestimmten Zeitverlust erlebe, alles nur wegen dem bisschen Geld, entsteht in der Funktion als Großvater unerwartetes Glück und neue Perspektive.

Freitag, 28. 5. 2021

Vormittags ein Stadtgang, ein bisschen einkaufen und durch die schönen Parkanlagen scharwenzeln. Die Stadtgärtner nehmen die gerade abgeblühte Erstbepflanzung raus und setzen den Sommer ein. Tulpen und Hyazinthen raus, Begonien in allen Farben rein. Das Land Bayern fördert das Staatsbad Reichenhall, Geld spielt wohl keine Rolle. Wir staunen es an und freuen uns dran. Mittags das vom Markt Heimgetragene verzehrt, und lustvoll gespeist, die Käspressknödel sind lecker. Nachmittags mit den Kindern eine schöne Waldrunde, wieder mit botanischen Sichtungen, es geht hier sehr vielfältig zu. Dann war es soweit, ich musste eine Laufrunde einschieben. Bin an der Saalach entlang bis ins schöne Waldauenland, das ist eine renaturierte Wasserlandschaft, über die Saalach zurück, und an einem Wohngebiet, das am Wald endete, gab es Magerrasen mit unglaublich schönen blutroten Knabenkräutern und dem echten Beinwell in tiefstem Dunkelblau. Am Ende der Strecke bin ich mal falsch abgebogen, so dass fast 14 km draus wurden. Duschen, noch ein bisschen Kinder hutschern, so war es wieder runder, schöner Tag. Ich sitz abends über meinen Fotos von den vielen Funden, wahrscheinlich muss ich noch eine Abteilung Frühlingsbegeisterung dranhängen.

Samstag, 29. 5. 2021

Der letzte Tag mit den Kindern, ein schöner Spaziergang und eine kurze Spielzeit noch, dann war es Zeit für die Heimfahrt. Die Autobahn ist noch gut durchgängig, ein paar Baustellen und Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nicht immer verstehbar sind, kein Verkehr, keine Hindernisse, aber 15 km mit 80 km/h. Nach reichlich vier Stunden war ich am Ziel. Das übliche, die Bude wieder in Betrieb nehmen, den Kühlschrank füllen, Wäsche waschen, Blumen gießen. Beim Zurechtfummeln der Bilder für die obige Ankündigung SWR2 gehört, u. a. Robert Habeck, einer der beiden Parteivorsitzenden der Grünen im Gespräch über sein neues Buch. Er kommt mir sehr klug vor, dazu ambitioniert im guten Sinne. Er denkt z. B. darüber nach, wie man den Erkenntnisstand von Klimawechsel und Konsumverhalten so an das Volk bringt, dass ein durch Nachdenken erreichtes Einverständnis entsteht. Er kann die Sachverhalte gut darlegen, und er braucht gar nicht über die Arbeit der Konkurrenz oder der Vorgänger schimpfen, sondern ordnet heute als schwierig geltende Ergebnisse in die jeweilige Zeit ihre Enstehung und der damaligen Erkenntnislage ein.
Mein Sportstudio hat mir Nachricht gegeben, ich darf wieder rein, allerdings mit Schnelltest, nicht älter als 24 Stunden. Das muss ich ausprobieren, hab noch keine Erfahrung damit.
Lesen: Das Wunschspiel ist ein flüssig erzähltes, spannendes Buch, das allerdings voller Ungereimtheiten steckt. Das Böse ist so böse, dass am Ende eine große Ungefährheit bleibt, kein Wunder, es ist nicht anders lösbar. Redmond portraitiert seine Figuren so, als hätte er nicht viel Ahnung von Menschen, sie interessieren ihn wenig, Hauptsache die Geschichte läuft durch. Ich wusste schnell, es handelt sich um Unterhaltung, und ich wollte mal was Leichtes und Seichtes lesen, warum allerdings solcher Quatsch unter Bestseller geführt wird, erschloss sich mir nicht.
Hier hänge ich die Bilderfolge von der Schönheit des Frühlings an, ihr wisst, in der Schule wird mancher Inhalt wiederholt, um ihn zu festigen. Das sei hier die Ausrede, nochmal Botanik zu feiern.

Der große Wiesenklappertopf

Der große Wiesenknopf, auch, wenn sich das reimt, es ist was anderes.

Ein weißblühender kriechender Günsel, hab ich das erste Mal im Leben gefunden.

Vogelnestwurz, eine Orchideenart, die ohne Blattgrün einen Stoffwechsel hinkriegt.

Die Kuckucks-Lichtnelke, was für ein Name.

Das große Zweiblatt, eine Orchidee mit Grün sogar in der Blüte, deswegen findet man sie erst, wenn man das Muster kapiert hat, dann sieht man sie häufig in ihren Gebieten.

Der Quendel-Ehrenpreis.

Die akeleiblättrige Wiesenraute.

Die Ringelnatter.

Bachnelkenwurz.

Die langblättrige Form des Weißen Waldvögelchens, auch eine Orchidee.

Das blutrote Knabenkraut, in Bad Reichenhall oft zu finden.

Zu guter Letzt den Echten Beinwell.
Das war eine kleine Auswahl meiner feinsten Fundstücke aus Bad Reichenhall, hätte ich es für mich behalten müssen, wäre ich eventuell geplatzt.

Sonntag, 30. 5. 2021

Es wird wärmer draußen, wir waren verabredet zum Trainieren am Tower, haben gut losgelegt, sind später ins Schwätzen gekommen, dadurch ging es länger. Das erste mal diese Woche an der Kraft geübt und festgestellt, sie schwindet, wenn ich dies Intervall beibehalte. Noch wurmt es mich und ich versuch, dagegen anzukämpfen, mit der Hoffnung, wenn der Sportpark wieder offen ist, wird alles besser. Mittag gab es vom Inder, ein bisschen vorschlafen wegen der Nachtschicht, ist gelungen, ein Stadtgang, ich musste mich durch überfüllte Passagen wühlen und die unendlichen Schlangen vor den Eisverkäufern queren, zum Bücherschrank, zwei Bücher hin, zwei her. Dicke Bücher hin, dünne her, vielleicht rettet mich diese Variante vor dem Ertrinken im Lesestoff. Testen zu Hause, negativ, ich muss also arbeiten gehen. In einer Stunde fährt der Bus, hoffe ich, sonst muss ich selbst fahren, jetzt noch essen und Schichtzeug zusammensuchen.

Montag, 31. 5. 2021

Kein Bus fuhr, dadurch war ich nach total chilliger Schicht zeitig wieder daheim, hab so schnell geschlafen, wie es nur ging. Lesefrühstück mittags, die Schwanenfamilie zeigt sich auf dem Neckar, die Kleinen sind schon unvollständig. Haushalt ordnen, zum Bäcker gehen, da springen süße Stückle raus, ein paar kleine Übungen zu Hause an den Barrengriffen, und ab zum Laufen. Das GPS hat versagt, zeigt völligen Unsinn an, die Zeit war da, und die Strecke kenne ich ja, die Standardrunde von 9, 5 km, 225 m hoch und runter, die Zeit, naja. Im Wald blühen auch hier die weißen Waldvögelchen, es ist eine andere Sorte als in Bad Reichenhall, auch der Vogelnestwurz ist da, hier gelber, heller als da. Warum? Standort, Boden, Klima hier und da, außerdem ist es ein analoges Geschöpf, kein genormter Vorgang. Eine knappe Stunde hab ich gelumpert, so dass wieder nicht alles erledigt werden kann, ich spüre Revolte in mir, finde die Zeitknappheit eine übertriebene Konsequenz. Dieses normale Dreischichtarbeitsleben lässt nicht genug übrig für mein selbstbestimmtes Sein, aber das Gemaule nützt auch nix. Und mit jedem freien Leben wöllte ich nicht tauschen. Am Neckar tritt z. B. wieder der Flussprediger auf, er steht am anderen Ufer und redet laut mit dem Wasser oder mit uns, ich verstehe nur selten was, je nach Windrichtung. Er kommt mit dem Fahrrad, bleibt eine halbe Stunde und es sieht aus, als übe er für den großen Auftritt. Ob er zufriedener ist als ich?
Die Coronazahlen, die Impfzahlen, alles entwickelt sich endlich schnurstracks in die richtige Richtung, hoffentlich schleicht sich der Mist von dannen. Ob ich jetzt vier oder acht Wochen auf normales Leben warten muss, ist egal. Die Maske würde ich hinnehmen, falls ich ins Kino darf oder ins Freibad, naja, im Wasser wird es ohne gehen müssen, oder in die Bücherei. Auf eine kleine Sommerreise freue ich mich jetzt schon.

 

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