Michael Oswald

 

 

 

Start
Aktuelles
Fotografie
Zeichnung
Texte und Projekte
Info
Impressum

Leben in den Zeiten von Corona 10

zurück zum Novembertext

 

Dienstag, 1.12.2020

Die Arbeitswoche ist schon wieder zu Ende, Kurzarbeit, hab ich den Rest der Woche Zeit für allerlei Privatvergnügen. Am Vormittag wäre Laufen dran gewesen, aber ich hab ausgeschlafen, denn schon beim Weckerklingeln konnte ich hören, dass es regnet. Hab ich die Seite gewechselt und ein Stündlein drangehängt. Nach dem Frühstück regnete es immer noch, Schneeflocken dazwischen, ich hab ein Lesestündchen eingeschoben und bin dann zum Bus. Die Schicht lief gut, alle Arbeit kam schön nacheinander, wir konnten allerhand abmelden und neue Aufträge starten. Mit dem Wissen um das Frei der nächsten Tage brach sowieso Gelassenheit aus.
Beim Hochfahren auf die Alb, als ich kurz vorm Ziel aufwachte, war alles ziemlich verschneit, das sieht schön aus, mal sehen wie dieser Winter wird. Ich wünsch mir einen milden und sonnigen Dezember, damit man draußen Sport machen kann, es ist ja immer noch alles zu.

Mittwoch, 2.12.2020

Ausgeschlafen, weil ich am Vorabend gelumpert habe, fing der Tag spät und gemütlich an. Von meinem vollen Vorhabenzettel konnte ich nicht all zu viel streichen, dafür hab ich mal ausführlich am Rechner gedaddelt. Hinterher fand ich es allerdings blöd, die Zeit war rum und nichts war erledigt. Als Ausrede hatte ich das Warten auf besseres Wetter, auf die Sonne, es hat nicht geklappt, ich bin dann bei trüben, aber trockenem Wetter hoch ans Sportstudio, hab mir tapfer die Finger abgefroren, zwei Grad gibt handschuhdurchdringende kalte Eisenstangen. Egal, Klimmzüge, Kopfüberzüge, statische, sehr anstrengende Stangenhänger in verschiedenen Richtungen, ich sollte das mal fotografieren lassen, die Namen für diese Übungen sind noch nicht erfunden oder eben nicht in den Sprachgebrauch eingesickert, drum kann ich hier so rumeiern und mich versteht trotzdem niemand. Im Studio, hinter den Scheiben lief die Aufnahme für einen Videokurs, außerdem trainierte ? ein Mensch im Warmen, ich hab draußen die kalten Finger geríeben und kurz drüber nachgedacht, ob ich mich diskriminiert fühlen soll. Haha, dachte ich, wärest du auch ein Profivolleyballer geworden, dürftest du eventuell auch an warme Stangen langen, das ist mir zu spät eingefallen.
Mittagessen kam vom Chinesen, war gut, halt die Verpackung. Dafür habe ich keine Energie verbraucht, im Sommer würde ich es mir auf einen Teller löffeln lassen und vor der Tür essen, so trag ich es in Alu oder Styropor nach Hause. Ich musste kurz warten, da frisch gekocht wird, dauert es paar Minuten. An solchen Stellen spüre ich eine zunehmende Dünnhäutigkeit den kleinen Unpässlichkeiten des Coronalebens gegenüber, sonst sitze ich wartend, lesend in guter Laune am Tisch, nun stehe ich maskentragend im Eingangsbereich des Marktes, soll ausweichen, wenn körbeschiebende, strikt vorwärtsstrebende Menschen ihren Weg bahnen. Es verlässt mich also die Gelassenheit, dafür kommt der Ärger über unangemessene innerbetriebliche Wallungen, das macht es nicht besser. Nun hängt nicht alles an Corona, aber die Empfindlichkeiten haben sich auf Grund der vielen Einschränkungen und Umstellungen, die ich meist einsehe, trotzdem nicht begrüße, verschoben. Die Richterskala meiner Beben hat eine neue Null, ich hoffe das schnappt nach der Impfung alles wieder ins Original.

Donnerstag, 3.12.2020

Der Tag bot Höhepunkte. Mehrere. Auch noch erwähnenswerte. Nach ausführlichem Lesefrühstück kam die Durchsage, wir treffen uns zum Sport. Der schnellste Läufer von Rottenburg und ich. Am Tower hab ich mein Programm gestartet, aber nicht durchgängig und schnell, wir mussten bissle erzählen. Dann gabs noch das Vorführen von den immer besser werdenden Anfängen der Human Flag, er kommt vorwärts, ich staune, bin ein wenig neidisch, dazu werde ich noch lange nicht in der Lage sein. Dafür konnte ich eine kleine Übung gut, die sollte ich vorführen, die Vorstufe zur Planche, eigentlich ein Stehen auf den Händen, der Rest eingerollert und frei getragen. Und es ist einfach so, zusammen trainieren macht mehr Spaß als allein, selbst unter diesen Verhältnissen, also draußen und mit kalten Händen. Dann habe ich einen noch fehlenden Kandidaten meiner Sportumfrage ans Telefon bekommen und konnte alle Punkte abhaken. Auch eine Art Gesellschaft, die ich unter diesen Verhältnissen noch wesentlich mehr schätze als zu normalen Zeiten. Da begegnet mir wieder diese jugendfrische und optimistische Art, sich ins Leben zu begeben und das beste aus den Begrenzungen der Coronavorgaben zu machen. Ich nehme das als motivierend wahr, verliere ein wenig von meiner altergerechten Schwergängigkeit, gewinne eine beträchtliche Aufhellung des Dezembercoronatals. Der nächste Gewinn war die Einweihung meiner neuen Mikrowelle, es gab Mittag, selbstgewärmt, und ich war es zufrieden, als es dampfend vor mir stand. Durch diese Aktion hatte ich das Frostfach des Kühlschrankes leergefuttert und konnte abtauen, der war völlig vereist. Ich hab das schon mal gemacht, es muss lange her sein. Jedenfalls fielen nach einer Stunde die Eispackungen polternd ins Leere. Ich war derweil Kaffee trinken und hatte mir einen richtig guten Käsekuchen genehmigt. Die Putzrunde ging mit überzeugendem Ergebnis zu Ende, mein Kühlschrank blinkert und tut, und ich kann was von meinem Zettel streichen, was schon lange mitgeschleppt wurde. Was für ein Tag.

Freitag, 4.12.2020

Wieder ist es gelungen, einen lang vor mir hergeschobenen Punkt der Aufgabenliste abzuarbeiten. Vor einiger Zeit habe ich das Wachstum der Staublage auf den Wohnzimmerschränken wahrgenommen und deren Eigenschaften bewundert. Es hätte nicht mehr allzu lang gedauert, da wäre das Einrollen einer Filzschicht möglich. Da oben steht ein Sammelsurium aus Steinen, Trockenfrüchten und Keramik, auch eine Kunst dazwischen, ein paar Flügel/Hörner, alles eingewachsen in ein Jahrzehnt? Unbewegtheit. Was soll ich sagen, es ging ganz leicht und alles gewann an überraschender Frische, der Kristall blitzt, die Schote glänzt, und die Wachsblume, die Asyl fand bei mir, die der Anlass war für diese Aktion, hat ihren Platz eingenommen, und siehe da, es gefällt mir. Nebenher ist die Bude geputzt, der Einkauf eingeräumt in meinen blitzeblanken Kühlschrank, mehr Haushalt ertrag ich nicht und ich bin laufen gegangen. Trüb und kühl, an der großen Baustelle entlang im Neckartal, die neue Straße ist ein riesiger Aufwand. Weiter über die Felder, in gutem Schnitt nach Hause, duschen, Mittag aus der Mikrowelle. Hab dazugelernt, es wärmte, während ich duschte, kaum war ich trocken, konnte ich vor der dampfenden Schüssel sitzen.
Lesezeit gabs auch, bin fast fertig mit Erich Loest, "Nikolaikirche", ein Wendezeitroman, literarisch eher hausbacken, inhaltlich packt es mich sofort, in dieser Zeit war ich beteiligt. Ich schaff wohl die letzten 70 Seiten noch, bin neugierig, wo und wann er es enden lässt.

Samstag, 5.12.2020

Gestern hatte ich mich verabredet mit einem Freund, wir wollten uns treffen, bisschen unseren Kenntnisstand voneinander auffrischen. Ich hab also gemütlich angefangen, das Buch fertig gelesen, und Ordnung gemacht, diesmal auf dem Kopf. Das Resthaar geschoren und den Bart, nun bin ich recht pflegeleicht für die nächste Zeit. Dann losgefahren nach Mössingen, wir waren beide pünktlich da, haben uns einen Kaffee mit auf den Weg genommen und sind über weiß verpuderte Felder gelaufen, mit dem Blick auf die Alb und den Bergrutsch. Haben uns in aller Ruhe erzählt, wie es uns ergangen ist und wie uns die Zeiten vorkommen. Dafür gingen zwei Stunden rum, wir waren ordentlich verfroren vom kalten Wind, aber bei guter Stimmung, es ist ein gutes Gefühl, so vertraut miteinander zu sprechen, obwohl wir uns noch gar nicht so lange kennen.
Nachmittags wollte ich an den Tower, das Wetter wurde immer trüber, 2 Grad ist nicht wirklich schön für Draußensport. Ich hab mich trotzdem aufgerafft und bin auf nassem Grund in mein Programm gestartet. Ein Mensch kam rangeradelt und wollte auch, diesmal einer eher in meinem Alter und gut fit. Wir sind ein wenig ins Gespräch gekommen, er trainiert sonst im Mapet und weicht aus auf den Trimmdichpfad oder eben auf Spielplätze mit Gerüsten, so was wie bei uns. Lustig fand ich, dass er ein strammes Programm vorführte, ich auch, das war das beschnuppern, da entstand ein wenig Neugier, dann sprachen wir, sofort mit gewisser Hochachtung voreinander. Nun gut, so viele mittelalte Herren, die Klimmzüge können und das bei diesem Wetter draußen tun, gibt es ja nicht. Bis es ganz dunkel war, haben wir es durchgezogen. Zu Hause gab es Kuchen zum Kaffee, ich hatte mir gestern einen Wochenendrondellkirschstreuselaldikuchen hergetan, der reicht auch noch für morgen.
Auf YouTube habe ich eine kleine Serie gefunden über Bobby McFerrin, der hatte vor kurzem den 70. Geburtstag. Ein begnadeter Musiker, bekannt geworden mit Don´t worry, be happy, der Klassik dirigiert und gesungen hat, aber auch mit vielen Musikern improvisierte und in seiner Entwicklung bei Solokonzerten landete, wo er mit dem Publikum zusammen singt und überall erstaunliches vollbringt. Wenn ich ihm zuschaue, wie er Klassik beinahe tänzerisch dirigiert, meine ich, die Musik noch mal neu zu verstehen. Die Leichtigkeit, mit der er improvisiert und seine Stimme auf unglaubliche Kapriolen schickt, das mit Körperarbeit, da kommt der Beat her, unterstützt, kann man so nur bei ihm sehen. Den Link dazu
Es gibt jede Menge Material von ihm, ich höre seit Jahren gern seine Konzertmitschnitte, sie sind immer anders und neu, je nach Partnern, bzw. Publikum.

Sonntag, 6.12.2020

Als früh der Wecker klingelte, ich hätte in Hirschau zum Laufen gehen sollen, hab ich ihn ausgemacht und die Fortsetzung lustiger Träume weiterlaufen lassen. Es war ganz ohne Bedrängnis, nix Alptraum, eher Wohlfühlen bei guter Stimmung, in verschiedenen Fortsetzungsvarianten, so, dass ich immer neu neugierig war, wo es langläuft. Ich schreib nicht hier hin, worum es ging. Jedenfalls wurde es über dieser Ausführlichkeit erheblich später, da das Sonntagsfrühstück zu den heiligen Pflichten gehört, hatte sich Hirschau für diesmal erledigt. Ich fand sowieso, das der Ablauf diesmal richtig war, denn als ich viel später mich zum Laufen aufmachte, regnete es gar nicht mehr. Ich hab der Sonntagslaufverpflichtung wacker entsprochen und knapp 19 km Strecke gemacht, diesmal im Schnitt von 5:09 min/km, damit war ich hochzufrieden. In der Gruppe geht es oft gemütlicher zu, ich kann überlegen wieder mit den schnellen Läufern mit zu gehen. Auf den Ohren hatte ich Beethoven, zwei Sinfonien und ein Stück von einem Klavierkonzert, das ist ein hohes Vergnügen.
Gestern abend hab ich mir einen Ausschnitt des Sommerinterviews mit Höpke angeschaut, das ist eine wichtige AfD-Figur, ich glaube, er ist Landesvorsitzender in Thüringen. Es war eine Aufnahme vom August, ich wollte mir einfach einen Eindruck verschaffen, da er so viel in Nachrichten vorkommt. Es scheint ein kluger Mensch zu sein, der in fernsehtauglicher Form auf Fragen nicht antwortet oder sie so wendet, dass er wieder von seinen Themen erzählen kann. Er vermeidet knapp den Hetzerjargon und gibt sich sehr staatstragend, wenn es ihm passt. Markant war die Aussage zu Corona, er sagt, es sei vorbei, im August sagt er das. Nun gut, da irrt er mutwillig, da betreibt er Wahlstimmenfang. Ich habe mich erschrocken, wie sehr er das Bild vom Wolf im Schafsfell verkörpern kann.

Montag, 7.12.2020

Es hat geklappt, das Aufstehen zur Frühschicht, kurz nach vier fährt mein Bus los. Die Arbeit. Und der Sport danach. Im Bus heimzu konnte ich bissle schlafen, bis irgend so ein Depp das Handy am Piepsen hatte und mit seiner Trinkflasche so rumgeräuschte, dass ich Lust auf Mord bekam. Dann bin ich zum Sportpark hoch und kam mir ganz heroisch vor. Ich versuche, einiges, was ich bisher an Stangen gemacht habe zu verlegen an die Ringe. Durch die Wackelei und den ständigen Balanceausgleich kommt mir das richtig anstrengend vor. Wenn ich mir vorstelle, was Turner an Ringen vollbringen, komm ich mir wie blutiger Anfänger vor.
Dann, während einer Bauchübung, ich lag auf dem Rücken und schaute in den Himmel, er war trübgrausoßig, tat sich ein Fleck auf, von dem ich erst nicht sagen konnte, dunklere Wolke oder Durchblick ins Blaue. Ein wenig Wind machte die Sache klarer, es war ein blauer Himmelsfleck. Da ich eine Weile unten lag, hatte ich Zeit, mich dran zu freuen. Zumal derselbe Zustand auf Arbeit stattgefunden hatte. Ein Vorgesetzter fragte rum nach einem Zustand, der schon so lange schlecht ist, der aus verschiedenen Gründen jahrelang nicht bearbeitet wurde und sich immer mehr verfestigte. Heute nun die Ahnung von der Möglichkeit, es müsse nicht so bleiben. Ich springe sofort an, hoffe auf Bewegung, wünsche ihm Glück und Mumm, das durchzuziehen und werde ihm Auskunft geben. Nicht, um Kollegen in die Pfanne zu hauen, aber bei besseren Abläufen gewännen wir alle.

Dienstag, 8.12.2020

Fast wäre der Text ausgefallen, da ich am Radio hörte und hörte und hörte. SWR2 ist der beste Sender, den ich kenne, ich bekomme Nachrichten, gute Musik aus allen Bereichen, die mit hohem Sachverstand in eine Folge gebracht wird, oft gibt es äußerst hilfreiche Erläuterungen dazu. Am interessantesten sind mir aber die Berichte über und von und mit den Koryphäen ihres jeweiligen Faches, seien es Theatermacher, Dirigenten, Geigenbauer, Schriftsteller. Und heute war es so spannend, eigentlich wollte ich nur schnell Nachrichten hören, dann kam ein Bühnenchef im Gespräch, es wurden drei Geigen vorgestellt und Jazz lief und gefiel mir, so dass Stunde um Stunde verging. Nicht das erste Mal. Deswegen verstehe ich den Zinnober zur Erhöhung des Rundfunkbeitrages gar nicht, ich würde das gern für diesen einen Sender zahlen. Das erörtert das Thema nicht annähernd, soll aber heißen, ich fühle mich wohlversorgt. Dieses Hängenbleiben konnte ich mir leisten, da morgen ein freier Tag ist, Gleitzeitabbau. In Zeiten der Kurzarbeit wirkt das putzig, aber die Vorschriften sind so.
Frühschicht, Training am Tower, der junge Läuferfreund kam dazu, wir haben schon was gemacht, aber auch viel geredet, erzählt. Es ist kurzweilig zu zweit, geht nicht nur mir so. Als es dunkel wurde, wurde es noch kälter, wir haben relativ schnell abbrechen müssen, laufen kann man gut bei solchen Temperaturen, aber beim Schwätzen kommt man ins Frieren.
Lesestoff: Trainspotting von Irvine Welsh. Ich hatte den Film vor langer Zeit gesehen, in guter Erinnerung behalten und fand das Buch im Stadtbücherschrank. Ich bin noch in der ersten Hälfte, kann aber schon sicher sagen, er erzählt atmosphärisch dicht und erhellend von Zuständen unter verschiedenen Drogen oder unter Unmengen von Alk. Das Buch ist von 1993, schildert die Jugend einer Clique in einem Stadtteil von Edinburgh, selbst in der Übersetzung kommt die Sprache dieser Abstürze und Aussichtslosigkeiten rüber. Es ist nicht nur Millieuschilderung, sondern auch ein literarisch geglücktes Zeitdokument.

Mittwoch, 9.12.2020

Das pure Glück, könnte man sagen und sicher sein, man wird von vielen nicht verstanden. Als ich loszog zu meinem Lauf, regnete es ein wenig, ich dachte, ehe es mehr wird, erledige ich das schnell. Die Standardstrecke geht ca 220 Höhenmeter aufwärts, sonst muss ich nur schnaufen und fertig. Diesmal wandelte sich der wenige Regen mit jedem Meter Höhe in viele Schneeflocken, die Luft war feucht und frisch und die Umgebung wurde immer weißer. An einem der letzten Häuser ein kleiner Hund allein draußen, der wollte mit mir spielen, sprang fröhlich um mich rum, mir zwischen die Beine, ich musste anhalten und mich gehend aus seinem Revier entfernen. Ein Glück, er wollte nicht weiter mitkommen. Als ich oben war, lief ich in den Wolken, dichter Nebel, Schnee, eine einzige Begegnung, eine junge Joggerin, ich kannte sie aus dem Sportstudio. Auf den Ohren Händel, der Messias, der pure Genuss. Die Brille schneite zu, ich trat die Erstspur auf manchem Wegstück und kam in guter Zeit zu Hause an, dann wieder im Regen. Diese Frische im Kopf ist herrlich, keine Ahnung, ob man sie anders erreicht.
Gestern abend schaute ich mir auf YouTube einen Mitschnitt an: BobbyMcFerrin singt mit einem Chor und dem Publikum. Es ist völlig umwerfend, wie er mit den Sänger*innen irgendeine kleine Folge einsingt und dann damit arbeitet. Dabei verblüfft die Leichtigkeit, mit der ihm alles gelingt, es ist betörend, was unter seiner magischen Anleitung daraus entsteht. Ich saß davor wie das Kaninchen vor der Schlange und entkam diesem Bannkreis nicht. Seine lässige Körpersprache, dazu die Präzission und Intensität, wie der Chor auf ihn reagiert und ähnlich, wahrscheinlich viel tiefer im Banne agiert, das hab ich so noch nie gesehen und erlebt. Den Link dazu
Da schreib ich es grad hin, um den Link zu kopieren, lasse ich es laufen, und es ist schon wieder passiert. Ich kann es nicht abschalten.

Donnerstag, 10.12.2020

Die Unterbrechung der Arbeitswoche macht, das kleine Etappenziele erreicht werden müssen, dieser erste von zwei Arbeitstagen ist gelaufen, wir hatten es gut im Griff. Die Heimfahrt verlief in ungestörtem Tiefschlaf, dann komm ich fast wie neu zu Hause an. Und hab mich umgezogen, bin gleich hoch zum Sportpark und hab am Tower meins gemacht. Günstig war, einzelne Menschen trainierten hinter der Scheibe, so dass draußen ein wenig vom Innenlicht ankam. Da fand ich, als die Sonne lang untergegangen war, all mein Zeugs schnell wieder, also Springseil und Zuggummi und kurzen Gummi und Handschuhe. Auf dem Rückweg ein Zwischenstop beim Bäcker, ein Stück Apfelkäsestreuselrafinessekuchen und n Kaffee als Belohnung und Zielprämie.
Die Nachrichtenlage ist schrecklich, aus dem Lockdown wird ein Lockdowner. Angedrohte Ausgangssperren würde ich als unnütze Strafe empfinden, da ich meines Erachtens am Infektionsgeschehen durch mein Freizeitverhalten nicht beteiligt bin. Wie eine Lösung aussehen könnte, weiß ich aber auch nicht, bei den unterschiedlichen Umgangsstrategien der verschiedenen Länder fällt keine einzige positiv auf, oder? Wir werden damit leben müssen, auch mit dem Scherbenhaufen, der nach der Durchimpfung auftauchen wird. Wie war das doch im Mittelalter mit der Pest und der Cholera? Am Ende war es immer ziemlich schlimm, und von dort aus ging es weiter.

Freitag, 11.12.2020

Da gab es erst die freundlichen Wünsche zu Weihnachten von den Vorgesetzten, auch ein Geschenkchen, nächste Woche arbeiten wir zwar noch, aber haben Nachtschicht. Eine Stunde später noch ein Termin zusammen zu kommen, da ging es um die Angebote der Firma, wenn man ausscheidet. Erst mal alles doppelt freiwillig, d. h. Arbeitnehmer und Firma müssen wollen, die Angebote passen nur für ganz wenige, kurz vor der Rente, oder mit Aussicht auf Jobwechsel, das betrifft im Moment nicht viele. Die Kurzarbeit ist für nächstes Jahr eigentlich durchführbar, aus Steuergeldern wird ausgeholfen, das nicht entlassen werden muss. Trotzdem geht der Rotstift um, von den Interessen der Aktionäre war auch die Rede. Vom Betriebsrat war noch nicht ein Wort zu hören, es gab nur eine Begründung, warum man die Betriebsverammlung, die eigentlich vierteljährlich stattfinden soll, nicht digital veranstalten kann. Das verstehe, wer will.
Nach Frühschicht, müde, und Busschlaf, ging ich auf die Tour. Ich klappte die Tür zu, trüber Himmel, kein Regen, aber nach drei Schritten wurde es nass. Egal, hoch in den Wald, wieder das Schneewunder, nicht so prägnant wie letztes Mal, dafür platschen vereiste Schneebrocken bei jedem kleinen Wind von den Fichten und Tannen und schlugen, wenn sie trafen, richtig ein. Sehr lustig, wie es auf meiner kahlen Birne klapperte. Ich war motiviert, und wahrscheinlich wollte ich schnell ins Warme nach Hause, jedenfalls hab ich meine Jahresbestzeit geliefert, der Regen wurde dann immer mehr, die Schuhe waren so nass, dass sie nicht nur Wasser aufnahmen, auch abgaben. Kaum war ich geduscht, war auch der Regen vorbei. Das hab ich schon besser hingekriegt. Egal, von meinem Laufkollegen, dem Schnellen, kam auch Meldung, der kann Kilometerzeiten liefern. Wo ich ne Stunde brauch, ist er nach knapp 44 min wieder da und hat 12 km weggelaufen. Herrlich, wenn Laufen dem Fliegen ähnelt.
Die Coronaregeln werden bedrohlich, einschränkender, und sie werden wieder nicht viel nützen. Ab morgen soll ich so tun, als wäre ich ein Stallhase. Die Klappe bleibt zu. Ich darf arbeiten, Nahrung kaufen, auch Klopapier, wenn es diesmal nicht so bekloppt zugeht, wie beim ersten Mal. Draußen allein Sport machen ist erlaubt, von daher werde ich zumindest kein depressives Karnickel. Halleluja werde ich zur Impfung sprechen, wenn sie denn kommt.

Samstag, 12.12.2020

Zeit wäre da, was erlebt hab ich auch, heute fehlt´s an der Lust. Drum wird das hier schnell enden. Ich mach einen auf Lockdown, fahre nach acht alle Aktivitäten ganz herunter.

Sonntag, 13.12.2020

Der Wecker klingelte schon, war schnell abgestellt, ich hatte mir beim Schlafengehen gemerkt, nur bei Lust aufzustehen. So ist es dann gekommen, den Hirschautermin hab ich ausgelassen, auch weil in der letzten Zeit, seit der Novemberbeschränkung kaum noch Leute da waren, die schnell unterwegs sind. Die waren alle auf der Tübinger Nikolausstrecke. Der virtuell zusammengeschaltete Lauf da war wohl ein ziemlicher Erfolg, mit hoher Beteiligung, ich hatte mich nicht angemeldet. So hab ich den Sonntag gemütlich angehen lassen mit ausgiebigem Lesefrühstück, ab und zu hoppelten draußen am Neckar einzelne langsame und schnelle Jogger/innen vorbei, so dass mir im Bewusstsein blieb, ich sollte auch noch raus. Um den Mittag rum bin ich gestartet, gut gelaunt in den Wald hoch, ich hatte mir eine Strecke vorgenommen, die ich lang nicht gelaufen bin. Es war relativ warm geworden, der Schnee war fast überall weg, dafür war es ziemlich matschig. Unterwegs hab ich noch eine Abzweigung genommen, da war ich noch viel länger nicht, kann man das so schreiben, na egal, jedenfalls wollte ich sie mir wieder ins Gedächtnis laufen, der Schlenker war länger als erwartet, und ich kannte die Kurven nicht mehr. Ich find das immer lustig, mein Kopf weiß, da muss man da und da rauskommen, aber wenn ich dann unerwartete, weil vergessene Abschnitte vorfinde, entsteht die kleine Unruhe, ob ich je aus diesem tiefen Rammertwald wieder herausfinde. Da haken dann Gedanken ein, ich lande in Dusslingen, Tübingen, was weiß ich, die Strecke heimzu verlängert sich durch Laufen in die falsche Richtung, und obwohl mir das noch nie passiert ist, fabriziere ich dieses dumme Kopfkino. Gut ist dann, wenn die Musik intensiv ist, heute war es ein Oratorium von Fazil Say. Als Komponist und Pianist ist er völlig überzeugend, außerdem ist er politisch aktiv, hat in der Türkei schon einsitzen müssen für kritische Stellungnahmen und Äußerungen, was für ein seltsam regiertes Land. Seine Musik entwickelt eine Suggestivkraft, ich muss dann zuhören, sein Klavierspiel ist markant, wiedererkennbar und hochplausibel. Hat mich gut heimgeleitet.
Mittag zu Hause, ich war wieder mal auf ein schönes Bild auf einer Pastapackung reingefallen, Teigwaren mit Ziegenfrischkäse und Feigen, klingt gut, oder? Schmeckte relativ merkmalslos, die pampige Füllung eher ein Ergebnis findiger Lebensmittelchemiker. Zum Glück hatte ich mir noch Gemüse dazu bereitet, das hat es gerettet.
Buch ausgelesen, Trainspotting, eine literarisch interessante Schilderung der Jugendjahre einer Gruppe im Drogensumpf der späten 80-er in Schottland. Eindrucksvoll die Beschreibung der Werteverschiebung bzw. Werteauflösung im Suchtmodus. Dazu die Einbindung in gesellschaftliche Zustände, die Perspektivlosigkeit dieser Zeit für Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen. Leseempfehlung.
Neues Buch angefangen: Chaim Potok "Am Anfang", 1975 erschienen, schildert die Ankunft der ersten jüdischen Familien in Amerika vor dem zweiten Weltkrieg. Deren Bemühungen, Fuß zu fassen und schnell Mittel zu erwirtschaften, um weitere Familien rüberzuholen und vor Pogromen zu retten. Aus der Sicht eines Sechjährigen geschildert, ich bin erst im Anfang, aber es fühlt sich sehr lesenswert an.

Montag, 14.12.2020

Erster Nachtschichttag steht an, ich muss gleich los. Eher kann ich nicht schreiben, sonst kann ich nicht vom Tag erzählen, ich muss ihn ja erst erleben. Drum kurz. Sport am Tower im Sonnenschein, ohne zeitliche Begrenzung, lustgesteuert, zwei Stunden vergingen so. auf dem benachbarten Skaterpark eine Horde halbwüchsiger Schüler, die die Rampen hoch und runter flatterten, sehr sehenswert. Fröhliches Spiel, kein Gedanke an Corona. Dann nichts, was erzählt werden muss, außer vielleicht von der Nachrichtenlage und den Kommentaren dazu. Lauter Besserwisser unterwegs, es wirkt zwar geschäftig und angestrengt, aber sehr nutzlos. Trägt kaum zur Informiertheit bei, macht unruhig und regt mich auf. Man hätte können, man hätte müssen, blablabla.

Dienstag, 15.12.2020

Einschwenken in den merkwürdigen Daseinszustand eines Nachtschichtlers. Immerhin hab ich es gestern geschafft, meinem handynutzenden Kollegen im Bus klarzumachen, dass er sein Handy auf lautlos stellen kann, ich glaube, er hat mich halbwegs verstanden. Einzelne Kollegen erzählten, sie seien kontrolliert worden auf dem Weg zur Arbeit, es war dann unkompliziert, aber die Ausgangssperre soll im grün regierten Ländle mit Hilfe der Polizei durchgesetzt werden. Das hätte man sich bei Regierungsantritt von Kretschmann und Co nicht vorstellen können. Ich vermute auch, dass, wenn man erwischt und mit Geldbuße belegt wird, man vor einem Richter die Verhältnismäßigkeit im jeweils konkreten Fall einfordern lassen könnte. Aber was besseres fiele mir auch nicht ein, soll heißen, ich bin froh, dass ich nur zu Hause bleiben muss, nicht für die Durchsetzung zuständig bin.
Genug davon. In meinem Nachtschichtjetlag ist es nicht ganz leicht, sich aufzuraffen zu normalem Leben, also Laufen zu gehen. Zumal es regnete. Regen stört in dieser Situation mehr, wenn ich ihn gar nicht abbekomme, hinter meinem Fenster werd ich nicht nass und finde das Wetter schrecklich. Dann gehe ich raus, es tropft auf den Schirm meiner Basecap, dadurch ist die Brille etwas geschützt, und sonst ist alles gut und im Loslaufen bin ich mit mir und dem Wetter im Reinen. Auf der heutigen Tour fand der schnellste Kilometer des Jahres statt, eine 3:57 hab ich lange nicht geschafft. Nach dem Duschen hier schreiben, Nachrichten hören, Schicht vorbereiten, das war es für diesmal,

Mittwoch, 16.12.2020

Aufgestanden, die Sonne schien, fast 10 Grad draußen. Schnell mein Gedöns zu Hause erledigt, dann hoch zum Sportpark. In erlesener Gesellschaft mein Programm gestartet. Ein junges Paar war da, sie beide konnten erstaunliche Sachen aus dem Calisthenicbereich, Handstand in vielen Variaten, Backlever, Human flag, ich kam mir vor wie Anfänger. Egal, ich hab meins gestartet, der Läuferfreund kam dazu, hat auch schöne Dinge vorgeführt, Pistol squats und Handstände. Wir können da genügend Abstand halten, der Platz reicht. Anderthalb Stunden waren rum, das Dunkelwerden macht, das es kälter wird, ich musste noch ein wenig Zeug einkaufen und soviel Freizeit ist nicht am Arbeitstag, das viel Luft zum Rumlumpern wäre. Kaum Lesezeit, kurzer Text, immerhin.

Donnerstag, 17.12.2020

Pausentag, Pause vom Sport, vom Text, arbeiten gehen muss ich noch mal, die letzte Nachtschicht. Maschinenputzen und das ganze Gewünsche vor Weihnachten. Morgen nach dem Schlafen starte ich wieder normales Leben. Sag ich mal.

Freitag, 18.12.2020

Ein wenig weniger Schlafen, da es aus der letzten Nacht herausging, gemächlicher Einstieg mit einem Lektürefrühstück, der Versuch der Konzentration, es lohnt sich, schließlich beginnt der Jahreswechselurlaub. Hab mich zum Laufen aufgerafft, da mir eine schöne Strecke durch den Kopf geisterte. Das war eine gute Entscheidung, ich bin in die flachstehende Sonne hineingelaufen, um mich erstrahlten güldene Wiesen und Felder. Da könnte ich in der Sicht von manchen Anderen je nach Richtung auch gülden werden, ich muss lachen. Als ich oben war, dadurch den Sonnenuntergang nach hinten verschob, also minimal, so riesig hoch war es nicht, was machen da 200 Höhenmeter, der Physiker könnte es ausrechnen. In der Ferne im Dunst das Schloss Hechingen. Durch den Wald wieder runter nach Niedernau, im Katzenbachtal stieg der Nebel über die Wiesen, dann am Neckar entlang nach Hause. Duschen, Kuchen holen, Kaffee trinken, Lesen, was gehts mir ohne Arbeit gut. Ein bisschen am Rechner, dazu SWR2, die Nachrichten und Beethoven, das 5. Klavierkonzert, ein Ausbund an Logik und Schönheit, ganz unangestrengt fügt es sich.
In den Nachrichten wird die Reihenfolge beim Impfen erklärt, und die Kritik daran. Also die Gefährdeten, die Alten zuerst, ok, die Hausärzte mahnen, sie müssten auch schnell drankommen, wegen der vielen Kontakte mit Kranken, klar. Ich merke, es erleichtert mich ungemein, dass es am 27. Dezember losgehen soll. Nicht, dass ich jetzt schnell drankommen müsste, gar nicht, aber die hohen Sterbezahlen verdunkeln die Zeit, vielleicht hört das schnell auf. Das wäre mein Weihnachtswunsch.

Samstag, 19.12.2020

Lange hat es nicht gedauert bis zur üblichen Weihnachtsmissstimmung. Kein Wunder, mit den sozialen Beschränkungen ging es sehr schnell, dass ich deutlich merke, ich muss mit mir selbst klarkommen, die Reise nach Bayern ist abgesagt, auch Silvesterläufe gibt es keine, Sport mache ich oft allein und Internet ist kein richtiger Ersatz. Wichtig schon, ohne wäre es eng. Die Bücher funktionieren. Was rettet mich? Die reine Sachlichkeit, Pandemiewissen. Da entsteht mir Einsicht und die Folgerung daraus, ich will mich kümmern. Ich merke, wenn ich Kontakt zu Kritikern und Meckerstimmen hab, nützt es gar nichts, da das dort verbreiteten Wissen nicht aus Quellen kommt, sondern in Bubbles entsteht, geteilt wird, einfach weitererzählt wird.
Beim Kaffeeholen hab ich nach dem Spiegel gelangt und dann reingelesen, naja, es geht los mit Hausfrauenempfehlungen, wie Weihnachten trotz Corona gut werden kann. Der Spiegel als Prediger, das taugt mir nicht. Werde weiterlesend schon noch paar Nachrichten finden.
Der Sport war gut, ich bin extra erst mittags hoch zum Tower, damit nicht zu viele da sind, das hat geklappt. Die wenigen, die trainierten, waren dafür überaus fit. Ich habe gesehen, wo ich noch hin will. Hilfreich war, das einzelne Übungen vorgeführt und erklärt wurden, ich hab genau hingeschaut.
Lesen: Chaim Potok, Am Anfang, ausgelesen. Eine komplizierte Kindheit und Jugend im jüdisch-orthodoxen Millieu in der Zeit der Wirtschaftskrise und dem dritten Reich. Von Amerika nach Europa geschaut, dazu die Nachrichten von der Vernichtung aller Verwandtschaft, die es nicht aus Europa rausgeschafft hat. Mich hat das sehr berührt, zumal die auf die Thora bezogene Denkwelt sehr ausführlich und genau erzählt wird.

Sonntag, 20.12.2020

Diesmal hab ich´s besser gemacht, hab den Wecker gleich auf später gestellt und den Hirschauer Lauftermin sausen lassen. Mein Eindruck ist, dass die schnellen Leute da dauerhaft, zumindest während dem Coronamist sich nach Tübingen orientiert haben. so habe ich ein gediegenes Sonntagslesefrühstück gehalten, es dauerte ziemlich, hab im Spiegel gelesen und bin immer noch nicht überzeugt, dass sich das besonders lohnt. Die Berichterstattung ist literarisch, nicht immer faktengestützt, mehr so Auslegeungssache. Über kriminelle Banden wird im Stile von aktuell und gerade herausbekommen erzählt, dabei ist das erledigt, andere haben vor ein, zwei Jahren recherchiert, dieses Fenster ging aber schon wieder zu wegen erneuerter Verschlüsselungstechnologien. Wirecard und die Finanzaufsicht, genauso ein nutzloser Rapport wie schon vor Wochen, da hab ich das schon mal reklamiert. Was Kurbjuweit über die Kanzlerin schreibt, sagt mehr über ihn. Konstruktives hab ich gar nicht gefunden, im Zusammenhang mit Corona wird nur im nachhinein spekuliert, was man hätte besser machen können. So weit bis zur Hälfte des Blattes. Mittlerweile höre ich lieber, wenn es grad passt, auf SWR2 Diskussionsrunden und Nachrichten, auch die NZZ berichtet hochwertig. Beides hab ich mir verfügbar gemacht mit deren Apps, bin ich erstmal gut versorgt.
Der Dezemberblues, kam gestern schon vor, macht mir etwas zu schaffen. Ich hatte Mühe, mich aufzuraffen zum Laufen, und unterwegs auf den ersten Kilometern hab ich gemerkt, es geht schwer und ich habe wenig Lust. Zum einen hab ich mir gestern einen gehörigen Muskelkater geholt, da hab ich gut trainiert, aber ich fand es anstrengend, damit zu laufen. Außerdem hat mich die Musik nicht erreicht, die Stimmung blieb mau, ich habe ewig mit mir rumgehadert, wann ich umdrehe, ob ich heim spaziere und nie wieder laufen geh. Na gut, so schlimm war es nicht, ich war vernünftig, habe aus den 20 km, die sonntags vorgesehen sind 14 gemacht, in dem ich auf eine schöne Strecke abgebogen bin. Zu Hause war danach Faulenzertag, bisschen gelesen hab ich schon noch, und am Bücherschrank bin ich langgeschlappt. Das Verfahren wie üblich: ein Buch hingebracht, fünf mit heim genommen, was soll man machen.
Die Nachrichten vom mutierenden Virus und den Konsequenzen draus haben die Stimmung nicht verbessert. Ich will zwar grad nicht nach UK oder in die Schweiz, jedoch, der Ausblick wird düster.

Montag, 21.12.2020

Die Zulassung für den Impfstoff ist da, in Europa, verkündet von der Frau von der Leyen oder so. Warum jetzt mehrere Tage vergehen ohne Impfen, an denen wohl jeweils um die 500 Menschen sterben werden, obwohl ich in der letzten Zeit die Vorbereitung der Impfzentren und mobilen Impfteams verfolgen konnte, das bleibt mir rätselhaft. Die Schweiz impft, Israel impft.
Der Lichtblick ist trotzdem da, ich hoffe, dass das Virus nicht zu schnell mutiert, dass der Impferfolg macht, dass die vielen Kleinigkeiten, von denen ich nicht viel wusste vor einem Jahr, sich wieder einrenken, ich möchte mein Leben davor wieder haben. Auf die Gefahr hin, dies könnte nörgelig klingen, ist mir das sehr bewusst geworden. Ich will mich wieder in der Stadt bewegen ohne Maske, ich will nicht so auf Abstand achten müssen, dass mein Gegenüber merkt, ich denke dran. Ich will wieder eine Hantel anfassen, die jemand abgelegt hat, ohne den Mief von Desinfektionsmitteln. In mein Studio will ich rein, drinnen schwitzen, mit anderen zusammen merken, jetzt wird es schwer. Ich will ins Kino, in die Bücherei, will Ausstellungen besuchen, in der Stadt Kaffee trinken können, drinnen und im Sitzen und ohne meine Adresse überall hinschreiben zu sollen. Mit der Arbeit, das ist so eine Sache. Die Kurzarbeit hat für allerhand Freizeit gesorgt, ohne große finanzielle Einbußen. Mir am liebsten wäre es, alle bestellten wieder wie zuvor, wir müssen so viel produzieren, dass die Wochenendarbeit wieder eingeführt wird. Mir ist aber klar, die Welt ändert sich auch ohne Corona, ob der Laden je wieder so brummt wie vor Zeiten, ich warte es mal ab.
Zu Hause war der Putztag, dieses lästige Immerwiederdingens muss halt erledigt werden, will ich nicht komplett verwahrlosen. Zum Glück regnete es nicht, also danach, so bin ich hoch zum Sportpark und hab mein Programm erledigt. Es war trübe, fünf Grad, nicht wirklich tolles Wetter, dadurch kam auch niemand anders zum Trainieren. In aller Ruhe hab ich eins nach dem andern abgearbeitet, frage mich zwischenrein, ob es Sinn macht. Ich glaube schon, es findet immer noch ein Kraftzuwachs statt, und meine Vorstellung von Wie will ich aussehen ist erfüllt, ob ich je diese schönen Figuren aus der Calisthenic werde halten können, bleibt ungewiss. Wenn ich damit aufhörte, wüsste ich das Ergebnis, es würde mir nicht gefallen. Immerhin richte ich keinen Schaden an mit dieser Art Freizeitverhalten.

Dienstag, 22.12.2020

Beinahe hätte ich die Schreiberei verpasst, weil ich mich festgelesen hab. Erst den Spiegel fertig, hintenraus kam doch noch was lesenswertes zum Vorschein. Der Bericht über Hongkong mit der von China veränderten Justiz war interessant. Ein Bericht über Weltraummüll auch, da denke ich über die Dummheit von uns Menschen nach, über unser  perspektivunfähiges am Eigennutz ausgerichtetes Agieren, egal, wohin man schaut. Ein Gespräch mit dem Dirigenten Thielemann, von dem schätze ich die Aufnahme der Beethoven-Sinfonien, er hat sie verständlich gemacht, beim Dirigieren ist er klarer als beim Sprechen. Das macht aber gar nichts. Dann hab ich in der NZZ immer weiter gelesen, dort herrscht ein anderer Ton als im Spiegel, ich muss mich erst eindenken. Da wird sichtbar, wie unterschiedlich Fragestellungen behandelt werden können. Im Spiegel immer mehr verhaftet den vorgedachten Weltendeutungen und Redeverboten, da nützen auch Artikel über Cancel Culture nichts, die offenbaren bestenfalls nur das Dilemma, in der NZZ ergebnisoffener und auch überraschend neue Denkanstöße.
Alltag war ebenfalls ein wenig, ich musste einkaufen, damit ich über Weihnachten komme, und laufen war ich. Da gäbe es einen noch schnelleren Kilometer zu berichten als beim letztenmal, und es hat auch noch Spaß gemacht den Berg runterzurasen. Es war sowieso anders als in der letzten Zeit, 14 Gad warm, ich bin in kurzen Hosen auf die Strecke. Jetzt fehlen noch vier Sekunden zu meinem allzeitschnellsten Kilometer, vielleicht gelingt mir das noch.

Mittwoch, 23.12.2020

Da sitz ich in meinem persönlichen Lockdown zu Hause, zu einer Zeit, zu der ich sonst im Studio war, da bin ich nach dem Training in der Sauna und würde jetzt demnächst hier landen. Gerade an freien Tagen konnte ich so schön ausführlich Sport machen, bin oft tagsüber laufen und abends für die Kraft schwitzend dabei gewesen. Heute musste ich die Regenlücke nehmen für die Kraft, ich war mittags am Tower, bekam genau sieben Regentropfen ab, auch ein wenig Sonne. Und bin auf die glorreiche Idee mit der Stirnlampe gekommen, da könnte ich abends laufen und hätte meine Programm wieder. Warum ich dazu den halben Lockdown gebraucht habe, kann ich nicht erkennen, eher ist es so, dass ich froh um diesen zufälligen Gedankenblitz bin. Jetzt sofort lege ich mir die Lampe so in den Weg, dass ich auch morgen soweit denke.
In den Nachrichten die Verurteilung von Can Dündar, türkischer Journalist, der muss seinen Obrigkeiten gehörig in die Suppe gespuckt haben. 27 Jahre wollen sie ihn in den Bau stecken, was an sich schon mal unverhältnismäßig ist. Er hätte spioniert und sich verschworen. Freie Justiz, selbst denkend und urteilend? Eher die Ausübung von Macht. Von solchen Urteilen wird der Welten Lauf nicht besser.
Sonst verging die Zeit mit lesen, ich versuche in der NZZ hinterherzulesen, seit ich ein Abo habe, werde ich schier zugeschmissen mit interessanten Nachrichten und auch Kommentaren. Da fehlt mir glatt die Zeit zum Buchlesen. Um meinen Umgang mit Zeit komplett entgleisen zu lassen, habe ich mir gestern abend ein Radio mit W-Lan-Empfang bestellt, DAB+ funktoniert bei mir am Standort nicht, hab ich probiert, jetzt also auf diesem Kanal. Die Vermittlung von Nachrichten und Wissen auf SWR2 finde ich so gut, dass ich es auf Knopfdruck verfügbar haben will, außerdem hat es ein Laufwerk für CDs, da kann ich meine alten Schätze wieder anzapfen. Noch so ein Gedanke, der lange Zeit zum Reifen brauchte.

Donnerstag, 24.12.2020

Muss ich, muss man am Heiligabend Text machen? Natürlich nicht. Gibt es einen Grund, keinen zu machen? Natürlich nicht. Es fing an mit einem wundervollen Traum. Ich hab ausgeschlafen, den Wecker ignoriert und dann kamen sie. Hunderte schöner Schmetterlinge über dem Boden eines sonnigen Waldweges, sitzend, auffliegend, flatternd, in allen Varianten, alle von einer Sorte mit hellbraunen gescheckten Flügeln. Es hat mir so gefallen, wach geworden bin ich beim Versuch, nach dem Handy zu langen, es zu filmen. Frühstück, gemütlich und in der Nachfreude. Beim Schauen, ob Post da ist, eine Überraschung, mein neues Radio ist schon da. Und ein wundervoller Kalender mit Bildern von meinen Enkelkindern, fast ein ganzes Jahr dokumentiert. Wenn ich den demnächst umblättere, sehe ich manchmal mich selbst mit einem der Kleinen. Ist neu für mich, aus einem Kalender habe ich noch nie rausgeschaut. Laufen war ich, 13 km mit ziemlich heftigen Winden, das hat Spaß gemacht. Als ich, schon in der zweiten Hälfte im Gegenwind mich redlich mühe, eine Geschwindigkeit beizubehalten, überholt mich so ein junger, locker laufender Kerle, der tat als gelte der Wind nur mir. Das Geheimnis kenne ich nicht, jedenfalls war er viel schneller.
Abends saß ich in guter Gesellschaft, bei gutem Essen und einem angenehmen Schwätz verging die Zeit schnell, erst hatte ich kurz überlegt, allein zu Hause zu bleiben, so war es aber viel besser.

Freitag, 25.12.2020

Zwischen dem vielen Regen morgens waren fette Schneeflocken, trotzdem wurde es nicht weiß. Kalt war es. Ich hab überlegt, was draußen zu machen ist, ich wollte an den Tower. So habe ich lange genug nachgedacht, es hörte auf zu regnen, mittags war ich am Start. Die Stangen vom Tower patschnass und kalt. Ich habe mit Aufwärmen, dem Springseil so lange zugebracht, bis ich anfing zu dampfen, dann ging es mit den Händen. Die Kälte zog sofort ein von der Stange bei Klimmzügen oder Dips usw., in den Pausen gab es Handschuhe und Hosentaschen, so bin ich gradso mit kribbelnden Fingern durchgekommen. Es war sonst niemand da, ich hab das verstanden, und mach mir Gedanken um meinen Zustand, bisschen Aussendrift ist da schon dabei. Trotzdem hab ich mich hintenraus gut gefühlt, hatte eine gute Muskelmattigkeit erreicht, sogar die Beine mit mehreren Runden Ausfallschritten und Kniebeugen mit trainiert, an den Ringen wie ein Laie rumprobiert und eine klitzkleine Jonglierrunde zum Ende eingelegt. Mit kalten Händen geht allerhand daneben, vielleicht fehlt auch die Routine.
Sonst: Mein neues Radio angeschmissen, mein Sender erscheint und tut, CD tut, ich hab gleich Nina Simone eingelegt, besser geht´s nicht. Saß daneben wie Hans im Glück. Und gelesen, ganz viel NZZ, jetzt hab ich den Rückstand fast aufgearbeitet und fühle mich gut informiert. Bleibt die Verwunderung über den schlechten Zustand des Spiegels, bei dem ging es mir lange Zeit auch so, was jetzt draus geworden ist, wird in diesem Kontrast zur Züricher sehr deutlich.
Wenn ich hier so schreibe, immer weiter, nach wie vor ohne Ziel und Plan, frage ich mich schon mal, wie viele Formulierungen, Beschreibungen sich tupfengleich wiederholen, ohne dass ich es im Verlauf bemerke. Ich erzähl ja nur einen Tag nach dem anderen, und mein Leben ist ganz ohne markante Ereignisse, eine Folge von sich fortsetzendem Kleinklein. Vielleicht, wenn ich es vergesse, geht es manchem Leser auch so, das wäre eine Hoffnung, vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Ich hab mich beim Schreiben schon manchmal erinnert, dass da was schon vorkam, wieder vorkam, und hab nach Beschreibung gesucht, von der ich annahm, sie gäbe es noch nicht weiter oben. Allerdings habe ich nicht kontrolliert. Wenn ich jeden zweiten oder dritten Tag einem Lauf erwähne, muss ich im Kopf kramern, was unterwegs passiert ist, sonst wären es ewig nur zwei Füße in Aktion. Blöd wäre, wenn ich alle Tage das selbe denke und es hinschreib und denk es wäre das Besondere gewesen. Mal sehen, wann die erste Reklamation kommt.

Samstag, 26.12.2020

Das war ziemlich kalt beim Laufen, aber die Sonne schien und Millionen Spaziergänger mussten umkurvt werden. Am lustigsten war die Begegnung mit einem kleinen Seppl, der konnt gradeso laufen, als er mich sah, kam er mir entgegen zum Abklatschen. Er voller Freude, ich ganz vorsichtig, und hab keinen Gedanken an Abstand und Corona verschwendet. Knapp zehn Kilometer reichten um zur Einsicht zu kommen, beim nächsten Mal sollte ich etwas mehr anziehen.
Mittags gab es selbst gekochte Suppe, die ganze Bude mieft danach, aber geschmeckt hat es, morgen brauche ich den Rest nur wärmen. Brokoli und Kartoffeln und Blumenkohl an Dinkelgrieß. Zum Abkühlen steht es draußen auf dem Fenstersims, es wird schon niemand mausen, das wäre Mundraub.
Der Rest der Zeit verging telefonierend, lesend, Feiertagsprogramm. Das Buch, eine recht wirre Geschichte von wiedererweckten Retroviren aus der DNS, alles voller Fachausdrücke, die ich nicht verstehe, immer neue Personen treten auf, auch ab, es ist ein bisschen spannend und mir entsteht die Frage, wie löst es sich. (Greg Bear, Das Darwin-Virus). Es ist komisch, das in pandemischen Zeiten zu lesen, die Präventionsmaßnahme in der Geschichte heißt: Kein Sex. Fast wie heute, wo ich immer zu Hause bleiben soll.

Sonntag, 27.12.2020

Langes Nachdenken gestern führt zu unentschlossener Abwahl von Hirschau, aber Laufen wollt ich doch. Zur Zeit gern allein, einmal wegen dem Tempo, zum anderen hab ich grad nicht viel Lust auf harmlosen Schwätz. Dafür will ich hörend laufen, also mit Musik. Am späten Vormittag bin ich bei 0 Grad auf die Strecke, diesmal mit Mütze und Handschuhen. Hoch in den Wald, bis Ofterdingen Ortsschild, das war mein Ziel, gleichzeitig die Streckenhälfte, dann fast denselben Weg zurück. Viele Spaziergänger, um die Parkplätze ist es richtig voll, mitten im Wald wird es weniger. Dhafer Youssef, orientalischer Jazz auf dem Hinweg, Dianne Reeves singt Jazzstandards und zwar wundervoll und den ganzen Rückweg lang, beides Konzertmitschnitte. Ich kam erstaunlich gut durch, bin lange nicht so weit gelaufen, immerhin fast 22 km mit 410 Höhenmetern im Schnitt von 5:33 min/km. Gemächliches Duschen, Freude an der geheizten Wohnung, da kann ich beim Ankommen die nassen Klamotten wegtun ohne zu frieren und nach dem Abtrocknen in aller Ruhe nackig an mir rumpflegen. Die Suppe von gestern gewärmt in der neuen Mikrowelle, ich schreib es in Zukunft nicht jedesmal dazu, im Moment freut mich diese neue Möglichkeit noch sehr. Schüssel füllen, reinstellen und Zeit anwählen, fertig. Als ich vollständig bekleidet war, dampfte die Suppe und sie schmeckte noch besser als gestern. Nachmittags musste ich an die Tankstelle, ein paar Weckle kaufen, ich hatte mit dem Sonntagsbäcker gerechnet, der war zu. Da gab es Kaffee dazu und ein Schokocroissant, da war es gleich mit erledigt. Dann ausführliche Familienanrufe, so dass die Handyhaltehand ermattet, aber es war gut und interessant. Nachrichten aus dem Osten, Austausch über Corona und die Impfbereitschaft, Besprechungen über Bücher und Bücherquellen. Lesezeit, das wirre Seuchenbuch, jetzt kommt noch die Liebe ins Spiel, spät und mit Macht und einem holperigen Sprachstil, ich glaub nicht, dass es an der Übersetzung liegt. Ich merke, während der Pandemie einen Seuchenthriller zu lesen ist ungeschickt, es entsteht eine unerwartete Bedeutungswucht. Nun ja, lehne ich mich zurück und denke, morgen noch die letzten hundert Seiten, dann ist es fertig.

Montag, 28.12.2020

Der Regen hat gewonnen, er hat mich ausgetrickst. Als es aufhörte, bin ich raus zum Sportpark, besonders schön war es nicht, trübe, feucht, aber es tropfte nicht. Nach einer  halben Stunde dann schon, ich hab noch 10 min geschafft, es wurde immer mehr, da hab ich zusammengepackt und abgebrochen, bin nass heimgefahren. Drei Minuten später war kein Regentropfen unterwegs. Egal, dafür hab ich allerhand Bürokram weggearbeitet, das klingt so bedeutsam, aber selbst bei mir sammelt sich Post von Ämtern, da stehen Termine drin, meist schaffe ich das. Komme mir hinterher völlig aufgeräumt vor. Sonst war gar nichts. Am Buch bin ich fast fertig, die letzten paar Seiten mach ich noch. Eine Stelle, da hab ich laut gelacht, so albern war die. Ein Neugeborenes begrüßt seinen Vater mit Namen, sagt also paar Minuten, nachdem es auf dieser Welt ist: Hallo Mitch. Natürlich sei es ein Kind neuer Art, aber das war doch zu blöd. Dieses Buch empfehle ich nicht weiter.

Dienstag, 29.12.2020

Manchmal denke ich, ein Baron, ein Fürst oder so müsste nicht einkaufen fahren, er müsste es nicht mal verlangen, wenn er gute Bedienstete hat. Ich bin keiner, hab keine, muss selbst los. Man bräuchte natürlich bei einer nötigen Erledigung nicht jedes Mal solcherlei Rumzickerei, solch Gedankenmühle laufen lassen, könnte es einfach abarbeiten, um dann frei zu haben. Am Ende mach ich´s ja, hab mir gleich was zu essen mitgeholt von meinem Mitnehmchinesen und hatte auch noch Grund zum Freuen. Ich habe das Essen vor dem Einkauf in Auftrag gegeben, um es in einer halben Stunde zu holen, hab auch bezahlt, und hab es tatsächlich geschafft, rückzu dran zu denken, da ran zu laufen. Geht doch, hab ich gedacht. Irgendwann nachmmittags, die Wolken rangen mit der Sonne, es sah unentschieden aus, bin ich los zum Tower, wollte mein gestern verregnetes Training extraschön nachholen. Immer wieder eindrucksvoll schwarze Regenwolken, aber kein Tropfen. Der volle Mond kam zur Verstärkung und sah schön aus. Nach anderthalb Stunden war ich durch, war zufrieden, bin rückzu am Bäcker lang, so gab es zu Hause Zwetschgenkuchen zum Kaffee. Gerade zur rechten Zeit war ich satt, zufrieden, das Telefon klingelte, und dann dauerte es fast zwei Stunden. Ein Freund aus Berlin, ich kenne ihn schon ca 35 Jahre, wir reden gar nicht mehr oft miteinander, aber wenn, dann gründlich. Ich weiß noch, wie ich ihn kennenlernte, ich war neu zum Praktikum auf der Station, wo er lernte, er wurde mir schon angekündigt als netter Kollege und als wir uns leibhaftig begegneten, waren wir sofort wie ein Herz und eine Seele. Wir haben nächtelang beim Bier gehockt, uns die Welt erklärt und die Revolution geträumt. Von der Freiheit, die wir damals so vage vor Augen hatten, ist allerhand erfüllt, zumindest aus seiner und aus meiner Sicht. Darüber können wir uns immer wieder neu freuen, das hört ja nicht auf, besser zu werden.
Aus den Nachrichten: Die Türkei baut eine Mauer zu Iran, 85 km lang. Der Meister Erdogan hält das noch für eine Lösung, da geht es wohl auch um Gelder aus der EU, wegen der Flüchtlingssteuerung. Alle, die Ahnung haben, sagen, die Flüchtlinge haben es schwerer, es ist gefährlicher, aber sie kommen. Da hat mir der Satz von Frau Merkel vor fünf Jahren besser in die Welt gepasst.
Auch aus der Türkei: Wieder eine Journalistin in langer Haft, weil sie was berichtet hat, was dem Chef nicht passt. Jetzt wollte ich nachschauen, worum es ging, gebe ein: türkische Journalistin in Haft und finde auf Wiki eine ganze Liste von Eingesperrten. Was soll man da über eine EU-Annäherung verhandeln.
Zu Corona: In Mecklenburg wurde geimpft mit der fünfachen Dosis, in den Abpackungen, Ampullen sind fünf Portionen, anscheinend hat niemand gelesen. Es sei nicht gefährlich, das ist schon fast zum Lachen.

Mittwoch, 30.12.2020

Die Bilder aus den Skigebieten sind frustrierend, weil man da die Verlängerung dieses doofen Zustandes schon einplanen kann. Warten am Lift, dicht an dicht, was soll da rauskommen. Ich mach hier einen auf Lockdown, treffe kaum Leute und soll mir in den nächsten Wochen die schlechten Zahlen in den Nachrichten anschauen, wenn dann die Solidarität in der Gesellschaft gerühmt wird, verwundert es mich.
Mein Tag war richtig. Treffen mit der Kunstfreundin auf dem Wanderparkplatz, dann ein schöner Weg durch das Musbachtal, dazu ein ruhiger und gediegener Schwätz. Beim Wandern sind wir nicht rekordverdächtig, dafür beim Reden, es geht immer weiter. Zu den vielen Themen um das Kunstmachen und Kunstschauen kommt die Erzählung über unsere Enkelverläufe und der leidige Coronakram.
Auf der Heimfahrt kam mir der Hunger, so bin ich schnell beim Chinesen ran, nach drei Minuten war ich bedient, konnte mir zu Hause den Bauch vollschlagen, da ist das Ende oft der kleine Mittagsschlaf. Es fehlte der Lauf, mit so gefülltem Ranzen ging es nicht mehr. So hab ich geduldig verdaut und meine Stirnlampe in Betrieb genommen. 10 km auf dunklen Feldwegen, mein Lichtlein hat mir eine Entgegenkommende gezeigt, die unbeleuchtet war, ohne hätte ich sie vielleicht über den Haufen gerannt. Ansonsten ist im Dunklen das Laufen etwas langweilig, der kleine schlecht beleuchtete Ausschnitt von der Welt bietet wenig zum Anschauen. Und Begegnungen sind auch nicht interessant, erst wird man geblendet, die LED-Lampen sind hell, trotzdem sieht man dann kaum, wer da vorbei geradelt oder gelaufen ist.
Es gab noch einen Punkt auf meiner Liste, eine Textbesprechung mit dem jungen Schreibanfänger. Ich hatte seinen Entwurf gelesen, war an vielen Stellen unzufrieden und wollte aber nicht vernichtend meckernd auftreten, eine große Aufgabe. Ich hatte im Gespräch schon das Gefühl, dass das halbwegs gelungen ist, wir sind, so mein Eindruck, bei guter Stimmung durchgekommen.

Donnerstag, 31.12.2020

Was wäre ein Silvester ohne Silvesterlauf? Für den überwiegenden Teil der Menschheit was völlig normales. Für Läufer gab es bisher unzählige schöne Laufveranstaltungen, ich hab z. B. in Tuttlingen die 10 km mitgemacht. Diesmal gab es virtuelle Varianten, ich hab einfach meine Standardstrecke gelaufen, so schnell es ging. Hab tatsächlich die drittbeste Zeit in meinem ganzen Läuferleben auf dieser Strecke geschafft, und rückzu war ein Kilometer unter vier Minuten dabei. Da war ich so schnell, dass die einzelnen Zusammenstöße mit den wenigen Schneeflocken fast den Charakter einer Carambolage bekamen. Zu Hause Duschen, Mittag  selbstgewärmt, Telefonieren, Lesen. Christoph Meckel, "Licht", eine Erzählung. In einer soliden schönen Beziehung entdeckt der Mann durch Zufall einen Brief der Frau an einen anderen Mann, dieser ist im Ton großer Vertrautheit geschrieben. So beginnt es, und dann erzählt Meckel ausführlich aus der sonnigen Vergangenheit ohne dies Wissen und den  zerstörerischen Zweifeln und lässt es im Unglück enden. Er kann erzählen, entwirft mit unspektakulären Mitteln Atmosphäre von Himmel und Hölle auf Erden. Ein hohes Lesevergnügen, eine klare Leseempfehlung.
Das Buch war mittags aus, abends nahm ich mir das nächste: Harry Mulisch, "Die Entdeckung des Himmels". Nur den Prolog gelesen, der aber so elegant neugierig macht, was danach kommt, das führt zur Vorfreude.
Noch ein Wort zu Silvester. Es ist still draußen, ich könnte die wenigen Knaller des Abends mitzählen und würde von Viertelstund zu Viertelstund die nächste Zahl brauchen. Fehlt mir was? Gar nicht, es ist eher Genuss. Ich hatte schon einmal so eine ruhige Sivesternacht, in jungen Jahren waren wir zu zweit mit dem Fahrrad in Mecklenburg unterwegs, noch zu DDR-Zeiten, dort ist es einfach so dünn besiedelt, da schafft man es, wenn man will, unters Sternenzelt.

 

 

 

zum Januartext